Süddeutsche Zeitung

Netzausbau:Darum surft Deutschland so langsam

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Von Varinia Bernau, München

Jahrelang tingelte Erich Pipa, Landrat im osthessischen Main-Kinzig-Kreis, von Gemeindesaal zu Gemeindesaal: Der 67-Jährige sprach mit Omas, die endlich mit ihren Enkeln in Kanada skypen wollten; mit Unternehmern, die sich in der Gegend ansiedeln wollten; mit dem Krankenhaus, das nun Patientenaufnahmen binnen Sekunden durchs Land schickt.

Und am Ende hatte er sie alle überzeugt: Um seinen Landkreis ans superschnelle Internet anzuschließen, lieh sich der Sozialdemokrat Geld vom Land Hessen. Den Betrieb des Netzes übernahm der Münchner Stadtnetzbetreiber M-Net. Damit ist dem hessischen Landrat aus eigener Kraft gelungen, woran Berliner Politiker seit Jahren verzweifeln.

Der Netzausbau ist in Deutschland Unternehmenssache

Anders als Südkorea steckt Deutschland keine staatlichen Subventionen in die Internetversorgung. Und es versucht auch nicht, so wie einige Länder in Skandinavien, Hauseigentümern durch steuerliche Anreize einen schnellen Anschluss nahezulegen. Der Netzausbau ist hierzulande Sache der Unternehmen. Und denen bleibt, um die dafür notwendigen Milliarden zu verdienen, nur eine Möglichkeit: Sie müssen Kunden von den Vorzügen solch eines schnelles Internetanschlusses überzeugen. So wie es Landrat Pipa geschafft hat.

Offenbar sind die Unternehmen dabei deutschlandweit aber noch nicht weit gekommen: Bis zur Jahreshälfte 2015 standen mehr als zwei Millionen Haushalten Glasfaseranschlüsse, die eine superschnelle Datenübertragung ermöglichen, zur Verfügung, wie die Bundesnetzagentur nun mitteilt. Tatsächlich genutzt haben diese aber nur knapp 20 Prozent. Deshalb schrecken viele Unternehmen davor zurück, in dünner besiedelten Regionen Glasfasernetze auszubauen.

Der Bund steckt als Anteilseigner der Telekom in einem Interessenskonflikt

Statt für viel Geld und eine ungewisse Aussicht auf spätere Gewinne Glasfaserkabel zu verlegen, will die Deutsche Telekom die bereits verlegten Kupferkabel technisch verbessern. Für diese Technologie namens Vectoring muss sie die Konkurrenz allerdings von wichtigen Verteilstationen im Netz aussperren. Die Bundesnetzagentur hatte dazu kürzlich ihr Wohlwollen signalisiert, wenn auch unter Auflagen. Kritiker warnen allerdings davor, dass sich der einstige Staatskonzern so wieder zu einem Monopolisten werden könnte - und vor allem kleinere Anbieter wie etwa M-Net, die Landrat Pipa für seine Sache gewinnen konnte, auf der Strecke bleiben.

Nun hat sich die Monopolkommission, ein aus Wissenschaftlern bestehendes Beratergremium der Bundesregierung, dieser Kritik angeschlossen. Und ihr Präsident Daniel Zimmer nannte auch einen möglichen Grund dafür, warum den Berliner Politikern nicht gelingt, was Landrat Pipa geschafft hat: die "unselige Doppelrolle des Staates als Regulierer und Anteilseigner".

Der Bund nämlich hält über direkte und indirekte Beteiligungen 31,9 Prozent an der Telekom - und steckt damit nach Ansicht von Zimmer gerade bei der Frage, wie viel Wettbewerb er beim Netzausbau zulässt, in einem Interessenskonflikt. "Die Politik bevorzugt immer stärker Staatsunternehmen gegenüber der Konkurrenz." Die logische Schlussfolgerung der Monopolkommission, die inzwischen auch aus den Reihen der Oppositionspartei der Grünen zu vernehmen ist: Der Bund soll seine Anteile verkaufen.

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Quelle:
SZ vom 08.12.2015
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