Süddeutsche Zeitung

Negativzinsen:Zur Kasse, bitte

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Freibeträge fallen weg: Immer mehr Finanzinstitute verlangen von Firmenkunden Negativzinsen ab dem ersten Euro. Was mittelständische Unternehmen tun können, um den Strafgebühren zu entgehen oder diese zumindest abzumildern.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Es ist eine verkehrte Welt. Wer als Unternehmer gut wirtschaftet und sein überschüssiges Geld auf die Bank bringt, muss dafür bezahlen. "Alle mittelständischen Firmen müssen sich mit Negativzinsen beschäftigen, so ganz nachvollziehen können es aber die Wenigsten. Dass Negativzinsen von den Banken dann auch noch als Verwahrgebühr bezeichnet werden, ist für viele ein schlechter Witz", sagt Joachim Linke von der IHK München und Oberbayern.

Deutschlandweit verrechnet die Mehrheit der Finanzinstitute Firmenkunden Strafzinsen. Die 0,5 Prozent Gebühr, die Banken für das Parken von Liquidität bei der Europäischen Zentralbank (EZB) abführen müssen, werden an Firmen durchgereicht. Nun nimmt die Dynamik zu und bisher übliche Freibetragsgrenzen von meist 500 000 Euro sinken oder fallen ganz. Betroffen sind besonders der Mittelstand, große Konzerne und institutionelle Anleger mit hohen Einlagen. Strafgebühren ab dem ersten Euro verrechnen in ausgewählten Fällen bereits die Commerzbank und die HVB. Zuletzt haben die genossenschaftlichen Volksbanken Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck und die Frankfurter Volksbank mit der Ankündigung von Negativzinsen ab dem ersten Euro im Neukundengeschäft für Schlagzeilen gesorgt.

Einfach hinnehmen müssen dies Unternehmen nicht. Zunächst ist verhandeln angesagt. Experten raten, offensiv das Gespräch mit dem Bankberater zu suchen. "Nach den Erfahrungswerten der Finanzkrise hat die Mehrheit der mittelständischen Firmen - ausgenommen die kleinen - heute längst ihre Geschäfte auf zwei bis drei Banken verteilt. Das hilft ihnen, jetzt unter den Freibetragsschwellen zu bleiben", sagt Birgit Felden, Professorin an der HWR Berlin. Ein Weg, der künftig nur bedingt erfolgversprechend sein dürfte.

Nach dem Motto, "Wenn die Bank mein Geld nicht will, suche ich mir eine andere", gilt es, das beste Angebot zu verhandeln. Denn die Banken sind durchaus gesprächsbereit. "Die Botschaft ist, bringe der Bank Neugeschäft, dann hast du eine starke Verhandlungsposition. Die Unternehmer können den Wettbewerb unter den Finanzinstituten nutzen und diese Karte ausspielen", sagt Linke. In der stärksten Position sind Firmen mit guter Bonität und stabilen Umsätzen. Zudem gibt es noch Anbieter, die ganz auf Verwahrentgelte verzichten. Dazu zählt etwa die Santander Bank.

Schließfächer sind bereits Mangelware

Die Höhe des Strafsatzes und Freibetrages für Firmenkunden werden unterschiedlich festgesetzt. Entscheidend ist hier die gesamte Geschäftsbeziehung. Liegen fünf Millionen Euro auf dem Geschäftskonto, kann das die Bank 25 000 Euro im Jahr an Negativzinsen kosten. Diese Auslagen müssen in gleicher Höhe mit dem Querverkauf ergänzender Bankprodukte verdient werden, sonst ist der Kunde ein Verlustgeschäft für die Bank. Einheitliche Negativzinssätze gibt es bei den großen bundesweit tätigen Finanzhäusern nicht. "Bei institutionellen Kunden, Kunden des öffentlichen Sektors und Firmenkunden entwickeln wir in individuellen Gesprächen alternative Anlagelösungen und Kompensationsmodelle", heißt es dazu von der HVB. Langfristige gute Geschäftsbeziehungen und Erträge aus der Vergangenheit sind dabei nur ein Entscheidungsfaktor. Primär geht es um Neugeschäft, das für Banken lukrativer ist: Also Kredite, Währungsgeschäfte, Auslandstransaktionen, Fonds und Zertifikate.

Wer bereits ab dem ersten Euro für seine Einlagen zahlt, kann andere Anlageformen in Betracht ziehen. Im ersten Schritt gilt es dafür, den Liquiditätsbedarf des Tagesgeschäfts genau zu analysieren. In die Kalkulation müssen alle relevanten Positionen wie Lieferantenrechnungen, Kundenzahlungen, Miet- und Kreditkosten sowie geplante Projekte einfließen. Je nach Geschäftslage und Risikoeinstellung sollte zusätzlich eine Reserve am Konto verbleiben. "Als Unternehmer brauche ich zumindest sehr kurzfristigen Zugriff auf das betriebsnotwendige Kapital. Daher machen nur ausgesuchte Finanzanlagen wirklich Sinn, die ebenfalls kurzfristig verfügbar sind, wie Geldmarktfonds", sagt Kai Frömert, Geschäftsführer des Finanzierungsspezialisten FCF. Allerdings steige mit den alternativen Anlageformen auch das Risiko.

Höhere Sicherheit bringen klassische Festgeldkonten mit jährlich gestaffelten Fälligkeiten. "Besonders interessant für den Mittelstand sind betriebsrelevante Investitionen, Immobilien und im weiteren Sinne auch Firmenbeteiligungen und Investments in Start-ups", sagt IHK-Experte Linke. Auf Experimente sollten besonders kleine Betriebe sowie Firmen in der kriselnden Automobilindustrie und im Maschinenbau verzichten. "Diese kapitalintensiven Branchen haben traditionell hohe Liquiditätsreserven. Da nimmt man dann schon einmal Negativzinsen in Kauf und kann bei der angespannten Geschäftslage ruhiger schlafen", sagt Felden.

Auch die Rückzahlung von Darlehen kann eine gute Option sein. "Sofern die Kreditverträge eine vorzeitige Tilgung zulassen, ist dies natürlich immer eine Möglichkeit. Wichtig ist es jedoch, hierbei zu hinterfragen, ob die Firma die Liquidität nicht kurz- oder mittelfristig benötigt", sagt Frömert. Eine Lösung, die der Bank und dem Betrieb hilft, ist die Auflösung der Barmittel. "Für kleinere Betriebe mit mehr als 100 000 Euro auf dem Konto kann es sich lohnen, einen Teil des Geldes abzuheben und ins Schließfach zu legen. Ein Phänomen, das sich ausbreitet, weshalb Schließfächer derzeit Mangelware sind", so Linke.

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Quelle:
SZ vom 05.12.2019
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