Süddeutsche Zeitung

Nahaufnahme:Diplomat und Holzfäller

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Dominic Barton war mehr als 30 Jahre bei McKinsey, am Ende sogar Welt-Chef. Jetzt übernimt er einen brisanten Job: Er wird Kanadas Botschafter in China.

Von Caspar Busse

Bei McKinsey nannten ihn alle nur "Dom": Neun Jahre lang leitete Dominic Barton, 57, die weltweit agierende und international wichtigste Unternehmensberatung. Der gebürtige Kanadier - hochgewachsen, sportliche Figur, silberfarbene Haare - war unermüdlich unterwegs und verfügt über eines der wohl größten Netzwerke in der globalen Wirtschaft. Sein persönliches Ziel als McKinsey-Boss: Mit mindestens zwei Unternehmenschefs am Tag sprechen, das ganze Jahr über - und zwar über alles, nicht nur über Unternehmensstrategien und Digitalisierung, sondern auch über die Zukunft des Kapitalismus oder über Geopolitik.

Im vergangenen Jahr übergab Barton, nach 30 Jahren bei McKinsey, die Führung der Beratungsfirma nach drei Amtszeiten an seinen Nachfolger, den Schotten Kevin Sneader. Eine Karriere in der Wirtschaft wäre für ihn kein Problem gewesen, denn die Berater sind gefragt. Mehr als 350 ehemalige McKinsey-Leute führen heute Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Dollar.

Doch Barton entschied sich anders: Er arbeitete zunächst als Wirtschaftsberater des kanadischen Premierministers Justin Trudeau. In der vergangenen Woche wurde er nun zum neuen kanadischen Botschafter in China ernannt. "Ich werde hart daran arbeiten, unser tolles Land zu repräsentieren und die Probleme zu lösen, die es derzeit gibt", sagte Barton. Von einer "großartigen Wahl" sprach Trudeau.

Barton übernimmt einen schwierigen Job. Die Beziehungen zwischen China und Kanada sind auf einem absoluten Tiefpunkt, seit Meng Wanzhou, die Finanzchefin des chinesischen Techunternehmens Huawei und Tochter des Gründers, in Vancouver verhaftet wurde. Kurz darauf wurden zwei Kanadier, ein Unternehmer und ein Ex-Diplomat, in China festgesetzt und sind seitdem im Gefängnis.

Für Barton ist die Ernennung zum Botschafter aber auch der Höhepunkt eines ungewöhnliches Lebenslaufs: Er wuchs mit zwei jüngeren Geschwistern in Uganda auf. Sein Vater war ein anglikanischer Missionar, seine Mutter Krankenschwester. "Wir lebten zusammen mit Einheimischen und vielen Ausländern, Menschen aus Deutschland, England, Australien. Ich glaubte als Kind, so eine bunte Mischung sei der Normalfall. Das war Diversity, lange bevor der Begriff populär wurde", erzählte Barton einmal im SZ-Interview. Auch später, als die Familie zurück in Kanada war, habe sein Vater andauernd Leute aufgenommen, die eine Bleibe suchten. "Es war fast wie ein Hotel, manchmal machte mich das als Kind verrückt", erzählte er. Doch das habe ihn auch sehr geprägt, sein Vater habe ihm Gelassenheit vermittelt, und die Bedeutung von Zuneigung zu anderen Menschen.

Später jobbte Barton als Holzfäller, studierte in Vancouver und Oxford, war zunächst als Analyst bei einer Bank und kam schließlich zu McKinsey. Er brauchte drei Anläufe, bis er Partner, also Miteigentümer, wurde. 2009 stieg er zum Weltchef auf, eckte öfters bei seinen Kollegen an, sagte offen und undiplomatisch, was er denkt. Er versuchte, das Image der Beratungsfirma zu ändern. McKinsey-Berater gelten noch immer als arrogant, rechthaberisch und als kühle Jobvernichter. Barton arbeitete dagegen an, aber der Wandel dauere eben, sagt er.

Aber ist Barton überhaupt der Richtige für den komplizierten Job in China? Immerhin kennt Barton Asien sehr gut, für McKinsey war er lange Zeit in China, von 2004 an hatte er fünf Jahre lang in Shanghai sein Büro und war für das gesamte Asiengeschäft zuständig. Barton geht Problemen nicht aus dem Weg. Eine gute Voraussetzung. Denn in Peking wird er sicher viele davon haben.

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Quelle:
SZ vom 10.09.2019
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