Süddeutsche Zeitung

Nachhaltigkeit in Unternehmen:Grüner Anspruch, grüne Wirklichkeit

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Sind die Nachhaltigkeitsziele von Konzernen nützlich oder anmaßend? Das diskutieren Unternehmen und Umweltschützer auch hitzig.

Von Silvia Liebrich

Umweltbewusstes Wirtschaften ist ihnen wichtig - das behaupten inzwischen viele Unternehmen von sich. Selbst Öl- und Chemiekonzerne, deren Geschäftsmodelle per se alles andere als grün sind, engagieren sich. Doch müssen Unternehmen auch mit Gegenwind rechnen, wenn sie ihre Versprechen nicht einhalten. Jüngstes Beispiel dafür ist der britisch-niederländische Shell-Konzern, den ein Gericht in Den Haag zu schärferen CO₂-Zielen verpflichtet hat.

Dies wirft die Frage auf: Wie grün sind Unternehmen wirklich? Experten schätzen, dass der Anteil sozial-ökologisch ausgerichteter Unternehmen in Deutschland derzeit nur bei etwa zehn Prozent liegt, obwohl inzwischen die meisten größeren Firmen Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen. Das Problem dabei: "Es gibt keine allgemein gültigen Standards, was genau ein grünes Unternehmen ausmacht", sagt etwa die wachstumskritische Ökonomin Irmi Seidl, die unter anderem an der Universität Zürich lehrt. "Da wird auch frisiert, mit sehr viel Geld und guten Beratungsfirmen kann man zu beeindruckenden Ergebnissen kommen."

Eine teils hitzige Debatte über grünen Anspruch und grüne Wirklichkeit führten am Freitag beim SZ-Nachhaltigkeitsgipfel Vertreter der Firmen BASF und Baufritz sowie den Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen Greenpeace und Foodwatch.

"Das ganze Konzept ist irreführend und anmaßend."

Der Agrar-und Chemiekonzer BASF stand zuletzt wegen des Exports hochgiftiger Pestizide in der Kritik. Saori Dubourg, im Vorstand zuständig für die Bereiche Pflanzenbau, Lebensmittel und Gesundheit sowie Kosmetik und Reinigungsmittelindustrie, verteidigte die Geschäfte des Konzerns. Solche Mittel seien etwa in Afrika unverzichtbar, um massive Ernteausfälle zu verhindern. Sie verwies auf die Nachhaltigkeitsziele des Konzerns und betonte, dass der ökologische Pflanzenschutz für den Konzern inzwischen eines der wichtigen Forschungsfelder sei. Auch auf die Einhaltung von Menschenrechten lege der Konzern großen Wert. "Wir setzen auf einen Dreiklang von Umwelt, gesellschaftlicher Wirkung und wirtschaftlicher Transformation", sagte sie.

Thilo Bode, Geschäftsführer von Foodwatch International, übte heftige Kritik am Nachhaltigkeitsmodell von BASF. "Das ganze Konzept ist irreführend und anmaßend", hielt er der Managerin entgegen. Entscheidend sei für ihn das Geschäft: BASF verkaufe nach wie vor viele Produkte, die nachweislich schädlich für Umwelt, Klima und Artenvielfalt seien, so Bode. Auch das soziale Engagement des Konzerns stellte er infrage und verwies auf den Widerstand von BASF gegen das deutsche Lieferkettengesetz. Dubourg hielt dagegen, dass man bei BASF das deutsche Gesetz für nicht zielführend halte. "Wir unterstützen ein globales Lieferkettengesetz", sagte sie. Das jedoch ist bislang nicht in Sicht.

Was es heißt, ein Unternehmen von Grund auf nachhaltig auszurichten, erklärte Dagmar Fritz-Kramer, geschäftsführende Gesellschafterin der Firma Baufritz, einer Vorreiterin im ökologischen Hausbau mit Holz. Losgegangen sei es mit dem Umbau bereits in den Achtzigerjahren. "Da haben wir begonnen, alles zu hinterfragen", ergänzte sie. Alle Baustoffe seien geprüft worden, um zu klären, wie umweltfreundlich und gesund diese seien. Seit 2018 arbeitet Baufritz laut Fritz-Kramer klimaneutral. Sie kritisiert, dass es im Bausektor an ambitionierten Umwelt- und Klimaschutzzielen fehle, dabei wären in der Branche deutliche CO₂-Einsparungen möglich.

"Eine Verbotslogik allein wird uns nicht helfen."

Selbst nachhaltige Geschäftsmodelle müssen laut Foodwatch Geschäftsführer Bode hinterfragt werden. "Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, trotzdem kann er knapp werden", sagte er. Martin Kaiser, zweiter Geschäftsführer von Greenpeace, verwies auf die kritischen Zustand vieler Waldgebiete in Deutschland. "Unsere Wälder sind übernutzt und zu stark verdichtet."

Kontrovers debattiert wurden in der Runde auch, wie stark die Politik regulierend eingreifen sollte, um die Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten. "Eine Verbotslogik allein wird uns nicht helfen, dahin zu kommen", betonte die BASF-Managerin. Für viele Unternehmen bedeute der grüne Wandel auch eine riesige finanzielle Transformation. Dafür seien auch staatliche Innovationsanreize nötig. Greenpeace-Mann Kaiser forderte hier eine "klare Rahmensetzung von Seiten der Politik". Ohne Gesetze dürften es auch die Gerichte auf lange Sicht schwer haben, wie das Urteil gegen Shell zeigt. Der Ölkonzern legte diese Woche Widerspruch gegen das Urteil des Den Haager Gerichts ein.

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