Süddeutsche Zeitung

Nachfolge von Jürgen Großmann:RWE bekommt neuen Chef

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Die Zeit des umstrittenen Atommanagers Jürgen Großmann an der RWE-Spitze ist bald vorbei. Der Niederländer Peter Terium soll den Konzern wieder in ein besseres Licht rücken. Es ist nicht das erste Mal, dass der Energiekonzern eine überraschende Personalie präsentiert.

Markus Balser

Bei Deutschlands zweitgrößtem Energiekonzern bahnt sich eine Zeitenwende an: Der Chef des niederländischen Energieversorgers Essent, Peter Terium, soll Deutschlands bekanntesten Energiemanager, RWE-Chef Jürgen Großmann, ablösen. Der RWE-Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Schneider will dem Kontrollgremium am kommenden Montag die Bestellung Teriums vorschlagen. Das verlautet aus Konzernkreisen. Der Aufsichtsratschef habe den Niederländer in die engere Wahl genommen, sagte ein Mitglied des Aufsichtsrats der SZ.

Damit präsentiert Schneider eine überraschende Wende im Ringen um die Macht bei RWE: Der 47-jährige Terium ist außerhalb der Energiebranche bislang kaum bekannt. Selbst im Vorstand hatte niemand mit ihm gerechnet. Nun soll er eine der schwersten Aufgaben übernehmen, die die deutsche Wirtschaft derzeit zu vergeben hat. Denn der Energiekonzern mit mehr als 50 Milliarden Euro Umsatz und 70.000 Beschäftigten steht vor den gravierendsten Problemen seiner Geschichte: Energiewende und Klimaschutz kosten ihn Milliarden. Geld für Investitionen in den Ausbau grüner Energien fehlt und zusätzlich drückt den Konzern auch noch ein riesiger Schuldenberg von 27 Milliarden Euro.

RWE leitet mit Terium einen Generationswechsel ein. Sein Vorgänger Jürgen Großmann hatte sich nach der Reaktorkatastrophe in Japan wie kein anderer Manager in Deutschland für das Festhalten an der Atomkraft eingesetzt. Der 59-Jährige wurde zur Reizfigur. Er war von Kritikern als "Atom-Rambo" bezeichnet worden und hatte vom Naturschutzbund den zweifelhaften Titel "Dinosaurier des Jahres 2010" bekommen. Auf der jüngsten Hauptversammlung des Konzerns musste sich Großmann auf der Bühne von einem Bodyguard schützen lassen - ein wohl einmaliger Vorgang in der deutschen Wirtschaft.

Bereits am Sonntag will der Aufsichtsratschef mehreren Mitgliedern des Kontrollgremiums den neuen Kopf an der Spitze präsentieren. Die Erwartungen sind schon jetzt groß: Terium soll einen Strategie- und Imagewechsel vorantreiben, so die Hoffnung mehrerer Aufsichtsräte. Eine große Herausforderung sei die Aufgabe, das Image von RWE wieder in ein positives Licht zu bringen, sagt ein Arbeitnehmervertreter. "Wir erwarten vom neuen RWE-Chef eine Neuausrichtung der Energiepolitik im internationalen wie auch im nationalen Bereich." Dazu könnte auch eine weitreichende Kooperation mit Russlands Rohstoffriesen Gazprom gehören. Beide Konzerne verhandeln derzeit über ein Gemeinschaftsunternehmen auf dem deutschen Strommarkt.

Umstritten ist offenbar, wie lange Großmann nun noch im Amt bleibt. Sein Vertrag läuft erst Ende September 2012 aus. Wenn der Aufsichtsrat am Montag über die Personalie abstimmt, will die Konzernspitze auch klären, wann Terium die Geschäfte übernimmt. Er kennt RWE seit langem und arbeitet seit 2003 für den Konzern. Zuerst als Chef der Handelstocher RWE Supply & Trading, dann organisierte er 2009 die Übernahme von Essent durch RWE und rückte an die Spitze der neuen Tochter.

Gestartet hat Terium seine Karriere in den 80er-Jahren als Steuerprüfer des niederländischen Finanzministeriums. Dann wechselte er über die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in die Industrie zum Verpackungshersteller Schmalbach-Lubeca. Terium wurde in Nederweert in der Provinz Limburg geboren, ist mit einer Brasilianerin verheiratet und hat zwei Kinder.

Dem Milliardenkonzern aus Essen dürften mit der geplanten Personalie turbulente Zeiten bevorstehen. Hoffnungen auf den Chefposten hatten sich auch zwei erfahrene Vorstände von RWE gemacht, die der Aufsichtsratschef nun übergeht. Als Favorit galt der 54-jährige Rolf Martin Schmitz. Der Ex-Chef des Kölner Versorgers RheinEnergie ist für das operative Geschäft zuständig und genießt bei Gewerkschaften und kommunalen Investoren - Städte des Ruhrgebiets, die insgesamt 25 Prozent am Konzern kontrollieren - hohes Ansehen.

Auch Strategiechef Leonhard Birnbaum, 44, war immer wieder als Kandidat genannt worden. Doch der ehemalige Partner der Unternehmensberatung McKinsey stieß im Arbeitnehmerlager auf Ablehnung. Zu tief sitzt derzeit bei RWE die Angst vor einem Stellenabbau.

Mit der Berufung von Terium würde RWE erneut für eine Überraschung sorgen. Vor vier Jahren hatte auch niemand Jürgen Großmann auf der Rechnung. Schon sein Vorgänger Harry Roels - ebenfalls ein Niederländer - war völlig unerwartet an die Spitze des Konzerns gekommen. Großmann wechselte von seinem Stahlwerk Georgsmarienhütte in den RWE-Turm nach Essen. Roels war Manager des Ölmultis Royal Dutch Shell.

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SZ vom 04.08.2011
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