Nach Abgas-Skandal:Die große Volkswagen-Vertuschung
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Etwa 40 VW-Angestellte haben Tausende Dokumente verschwinden lassen, um die Abgas-Manipulationen zu verschleiern - und der Konzern gibt alles zu.
Von Klaus Ott
Die Abgasaffäre bei Volkswagen war gerade mal zwei Wochen alt, als das ganze Ausmaß für den neuen Vorstandschef Matthias Müller schon klar war. "Wir wissen, dass das Fehlverhalten einiger weniger Personen unserem ganzen Unternehmen schweren Schaden zugefügt hat", schrieb Müller am 1. Oktober 2015 an mehrere Minister in Berlin. Zu den Empfängern gehörte auch Sigmar Gabriel, Vizekanzler, Wirtschaftsminister und Vorsitzender der SPD. Einige wenige Personen: So kann, oder will, man sich täuschen.
Welche Ausmaße die Affäre wirklich hat, zeigen alleine schon zwei Zahlen. Etwa 40 Beschäftigte von Volkswagen und der Tochtergesellschaft Audi haben im August und September 2015 Tausende Dokumente beiseite geschafft oder gar gelöscht, um die Manipulation von Schadstoffmessungen in den USA zu vertuschen. Diese Erkenntnis gehört zu den von der US-Justiz ermittelten und nunmehr im Rahmen des Vergleichs mit VW veröffentlichten Fakten. Volkswagen stimme zu, dass diese Informationen wahr seien, heißt es in den Unterlagen.
Das Kapitel über die Vertuschungsaktion trägt die Überschrift "Behinderung der Justiz". In den USA ist das ein schweres Vergehen, für das Gesetzesbrecher auch schon mal ins Gefängnis kommen. In den US-Unterlagen wird im Detail beschrieben, wie die Vertuschungsaktion bei VW ablief. Und dass es im Wesentlichen beim Versuch geblieben ist, da es Volkswagen anschließend gelang, viele der beiseite geschafften oder gelöschten Unterlagen wieder zu beschaffen.
Auch die deutschen Behörden ermitteln in dieser Sache - und das schon ziemlich lange. Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig läuft gegen einen damaligen, später beurlaubten VW-Juristen ein Verfahren wegen versuchter Strafvereitelung und Urkundenunterdrückung. Dieses Verfahren ist seit Mitte vergangenen Jahres bekannt.
VW-Jurist soll noch im September 2015 indirekt zur Vertuschung aufgerufen haben
Neu ist jetzt das Ausmaß der Vertuschungsaktion mit rund 40 Beteiligten und Tausenden Dokumenten. Neu ist auch, dass VW das alles zugibt. Und neu sind auch diverse Details. Zum Beispiel, dass der Jurist sogar noch Mitte September 2015 in einer großen Runde bei Volkswagen in Wolfsburg mit 30 bis 40 Beschäftigten indirekt dazu geraten haben soll, Daten beiseite zu schaffen. Indem er darauf hinwies, neue Daten über die US-Manipulationen sollten auf USB-Sticks gespeichert werden und nicht auf den Computern von Volkswagen. Nur fertige Berichte sollten auf VW-Rechnern aufbewahrt werden, und nur dann, falls "notwendig".
Mitte September 2015 hatte VW den US-Behörden die Manipulationen bei Diesel-Fahrzeugen nach vielen Ausreden bereits gestanden. Zu diesem Zeitpunkt war auch schon klar, dass alle Daten zu sichern seien, nichts mehr beseitigt werden dürfe. Trotzdem, so die Erkenntnisse der Ermittler, machte der Jurist noch solche Ansagen. Die Justiz stuft das als "Empfehlung" dieses Juristen an die betreffenden Beschäftigten ein, Daten zu löschen.
Solche verklausulierten Ansagen hatte der VW-Jurist nach weiteren Erkenntnissen der amerikanischen wie auch der deutschen Ermittler bereits im August 2015 gemacht, als der Druck der US-Behörden immer größer wurde. Die Beschäftigten, die daraufhin Dokumente beiseite schafften, wollten der US-Justiz zufolge sowohl Volkswagen als auch sich selbst vor dem Zugriff der Behörden schützen. An der Vertuschungsaktion sollen vor allem Ingenieure beteiligt gewesen sein.
Der VW-Jurist, gegen den die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermittelt, hat dem Vernehmen nach die Vorwürfe bestritten. Er gehört nicht zu den sechs Beschäftigten von Volkswagen, gegen die jetzt in den USA Anklage erhoben wurde. Deutschland zu verlassen, wäre für den beurlaubten VW-Juristen trotzdem nicht ratsam. Sollten ihn die US-Behörden zur Fahndung ausschreiben, dann könnte er außerhalb Deutschlands aufgegriffen und nach Übersee ausgeliefert werden.