Süddeutsche Zeitung

Nach Abgas-Manipulation:Amerikaner wenden sich von Golf und Passat ab

Lesezeit: 3 min

Von Cerstin Gammelin und Ulrich Schäfer

Zwei Monte lang sah es so aus, als könne die Abgas-Affäre die Kunden von Volkswagen nicht schrecken: Selbst in den USA, wo der Skandal am 18. September seinen Anfang nahm, standen die Autokäufer treu zu ihrem deutscher Hersteller. Sie orderten genauso viele Autos "made by Volkswagen" wie zuvor. Doch am Dienstag kam der große Einbruch.

Im November, so teilte Volkswagen of America mit, seien die Verkäufe des Unternehmens um exakt 24,72 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen - also um beinahe ein Viertel.

Zugleich stufte die US-Ratingagentur S&P die Bonität von VW herab. Die langfristigen Schulden würden nun mit "BBB+" bewertet nach bisher "A-", teilte S&P mit. Zugleich warnte die Agentur vor einer weiteren Herabstufung, sie setzte Ausblick auf "negativ".

Aus dem klitzekleinen Plus im Oktober ist ein Minus geworden

In den beiden Monaten nach Bekanntwerden der Manipulationen hatte VW in den USA noch jeweils ein klitzekleines Plus bei den Verkaufszahlen erzielt, allerdings gab es im September und im Oktober jeweils einen Verkaufstag mehr als in den beiden Vorjahresmonaten. Der November hatte dagegen zwei Verkaufstage weniger als 2014. Doch das war nicht der eigentliche Grund für den drastischen Rückgang. Den Grund sei, erklärte VW, dass man den Verkauf von Fahrzeugen mit 2,0-Liter-TDI-Motor und dem 3,0-Liter-Sechszylinder freiwillig gestoppt habe. Man arbeite nun "unermüdlich" daran, dass die Motoren wieder die offizielle Zulassung der Behörden erhielten.

Fürs Erste aber ist die Bilanz düster: So brachen die Verkäufe beim Passat, dem zweitwichtigsten Modell in den USA, immerhin um 60 Prozent ein, und beim Golf, dem drittwichtigsten Modell, gar um 64 Prozent. Beim wichtigsten Auto, dem Jetta Sedan, der für knapp die Hälfte der verkauften VWs in den USA steht, betrug das Minus 23 Prozent. Macht unterm Strich insgesamt 23 882 VWs in den USA - nach 31 725 im Vorjahresmonat. Zum Vergleich: Der kalifornische Elektro-Autohersteller Tesla setzte im gesamten Jahr weltweit 52 000 Autos ab - das schaffte Volkswagen früher in zwei Monaten allein in den USA.

Bislang offenbar keine Anzeichen für Absatzeinbruch in Deutschland

In Berlin ist von den schlechten VW-Zahlen noch nichts bekannt, als Matthias Wissmann am Dienstagmorgen Bilanz zieht. Der Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA) kommt gerade von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Dort hat der Cheflobbyist der deutschen Automobilbauer zusammen mit Gabriel und dem Ersten Vorsitzenden der IG Metall, Jörg Hofmann, eine Erklärung unterzeichnet, in der sie ein gemeinsame Ziel bekräftigen: "die Stärkung der Innovationsführerschaft der deutschen Automobilindustrie, um Wertschöpfung und Beschäftigung an den heimischen Standorten zu sichern und auszubauen".

Die Zahlen, die Wissmann präsentiert, sind eindrucksvoll: Deutsche Markenhersteller haben 2015 erstmals mehr als 15 Millionen Pkw produziert. Die Exportquote beträgt 77 Prozent, was bedeutet, dass der gesamte Exportüberschuss Deutschlands "zu sechzig Prozent automobilbedingt ist". Um 17 000 Mitarbeiter ist die Stammbelegschaft im laufenden Jahr auf 800 800 Mitarbeiter angewachsen. "Keine Branche trägt so zu Wachstum und Beschäftigung bei wie wir", sagt Wissmann. Und im kommenden Jahr werde der deutsche Markt erneut zulegen, auf 3,2 Millionen Neuzulassungen und einen Prozentpunkt mehr beim Export. Freilich nur, "wenn es keine Verschlechterungen bei den Rahmenbedingungen gibt".

Während in den USA die Skepsis gegenüber VW wächst, zeigt sich Wissmann optimistisch. Es gebe "keine Anzeichen", dass der Dieselabsatz am deutschen Markt einbreche, sagt er. Freilich sähe das in anderen Ländern wie etwa Frankreich anders aus. Er traue sich aber erst im Februar zu, belastbare Zahlen über die Auswirkungen der Abgasaffäre auf den Absatz von Dieselfahrzeugen vorzulegen. Und so legt er an diesem Dienstag für Dieselautos nur die Absatzzahlen bis September vor - für alle anderen dagegen bis November.

In den Unterlagen, die Wissmann hat verteilen lassen, findet sich aber auch das Eingeständnis, dass die Abgasaffäre die deutsche Branche tief getroffen hat. "Die Manipulation von Software und Emissionsangaben hat Vertrauen gekostet, in das betroffene Unternehmen, in die gesamte Branche und nicht zuletzt in die Dieseltechnologie". Dann fragt ein Journalist, ob auch andere deutsche Hersteller Abgaswerte manipuliert haben? "Alles, was wir wissen und was die uns glaubwürdig sagen, weist darauf hin, dass es das bei anderen nicht gibt", sagt Wissmann.

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SZ vom 02.12.2015
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