Süddeutsche Zeitung

Mode:Eine halbe Milliarde für Mytheresa

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Angefangen hat alles mit einer kleinen Modeboutique in der Münchner Innenstadt. Seit Donnerstag ist der Luxus-Modehändler Mytheresa an der New Yorker Börse notiert. Über eine der seltenen deutschen Internet-Erfolgsgeschichten.

Von Caspar Busse, München

Das Geschäft in der Münchner Innenstadt, mit dem vor mehr als 30 Jahren alles begonnen hat, gibt es immer noch, auch wenn es derzeit Pandemie-bedingt geschlossen ist. 1987 eröffneten die Modehändler Susanne und Christoph Botschen einen Laden für Designermode unter dem Namen "Theresa". 2006 startete in den Räumen direkt über dem Geschäft ein Onlineshop mit der Adresse Mytheresa.com. Einst wurden die Päckchen unten im Münchner Geschäft gepackt und in die Post gegeben. Doch bald wurde alles sehr viel größer und internationaler.

An diesem Donnerstag folgte das nächste Kapitel dieser durchaus erstaunlichen Geschichte: Mytheresa gab eine überraschend gute Premiere an der Börse in New York (unter dem Kürzel: MYTE). Die Aktie kam mit 26 Dollar in den Handel und stieg sofort rasant um fast ein Drittel auf etwa 34 Dollar. Das Unternehmen, genauer die niederländische Holdinggesellschaft MYT Netherlands, ist damit immerhin knapp drei Milliarden Dollar wert, was gut 2,5 Milliarden Euro entspricht. Es gibt nicht viele Internetfirmen aus Deutschland, die solche Dimensionen erreichen, und es ist der erste große Börsengang einer Firma aus Deutschland in diesem Jahr. "Das macht uns sehr zufrieden", sagte Mytheresa-Chef Michael Kliger.

Mytheresa ist auf die bekannten Luxusmarken spezialisiert und verkauft Mode von 250 Marken und Designern, darunter Gucci, Yves Saint Laurent, Prada, Burberry und Valentino. Derzeit gibt es weltweit 568 000 Kunden in 140 Ländern. Und sie bestellen fleißig: Ein durchschnittliches Paket kommt nach Angaben des Unternehmens auf einen Wert von 600 Euro. Im Geschäftsjahr 2019/20, das im Juni endete, stieg der Umsatz um 19 Prozent auf 450 Millionen Euro bei 850 Mitarbeitern. In den sechs Monaten von Juli bis Dezember legten die Erlöse sogar um 30 Prozent auf rund 285 Millionen Euro zu, was auch auf den Corona-Lockdown und die Vielzahl von geschlossenen Geschäften zurückzuführen ist. Zudem gab es kaum noch Touristen, Kunden vor allem aus Asien kaufen gerne auf ihren Reisen vor allem in Europa ein. Nun bestellen viele von ihnen offenbar online, auch teure Mode.

"Luxus war bisher deutlich weniger digital als andere Branchen. Heute liegt der Anteil von Luxusmode, der online gekauft wird, bei ungefähr zwölf Prozent. Das dürfte auf 30 Prozent steigen", sagt Kliger. Für sein Unternehmen gebe es also noch viele Möglichkeiten. In den USA und in Asien ist das Unternehmen noch nicht besonders präsent, 60 Prozent des Umsatzes entfällt momentan auf Europa. Ursprünglich wurde nur Damenmode angeboten, im vergangenen Jahr wurde das Sortiment aber um Männer- und Kinder-Produkte sowie um Ski- und Sportmode erweitert. Es gehe nun darum, die Bekanntheit auszubauen und Lieferzeiten zu verringern. Auch Partnerschaften seien denkbar, sagt Kliger. Die Münchner konkurrieren etwa mit Farfetch (die Firma erhielt zuletzt viel Geld vom Luxusgüterkonzern Richemont und vom chinesischen Onlinehändler Alibaba) oder mit Matchesfashion, das dem Finanzinvestor Apax gehört. Zudem verkaufen die einzelnen Marken ihre Ware selbst online oder über die Internetplattformen der wichtigen Handelspartner.

Die Gründer sind nicht mehr dabei, Mytheresa gehört heute Finanzinvestoren

Der Börsengang von Mytheresa soll fast eine halbe Milliarde Dollar einbringen, der Verkaufspreis der Aktien wurde vor dem Börsengang wegen des hohen Interesses deutlich angehoben. Mytheresa selbst fließen davon bis zu 370 Millionen Dollar zu, der Rest geht direkt an die Altaktionäre. Nach dem Börsengang sind bis zu 21 Prozent der Aktien im Streubesitz. Mit dem Kapital will Mytheresa ein gut 200 Millionen Dollar schweres Gesellschafterdarlehen tilgen, mit dem zwei Finanzinvestoren die Firma aus der der Insolvenz des US-Einzelhandelskonzerns Neiman Marcus im Mai 2020 herausgehalten hatten. Die Kaufhauskette hatte Mytheresa 2014 für gut 150 Millionen Euro übernommen. Die restlichen Einnahmen sollen in das Wachstum investiert werden.

Noch ist die Geschichte von Mytheresa eine kurze, und doch schon wechselhaft: Die Firma sitzt inzwischen in Aschheim am östlichen Stadtrand von München. Die Gründer Susanne und Christoph Botschen sind auch nicht mehr an Bord. Nach ihrem Abschied stieg erst ein Finanzinvestor ein. 2014 wurde Mytheresa dann von Neiman Marcus gekauft. Das mehr als hundert Jahre alte US-Unternehmen, zu dem unter anderem das bekannte Luxuskaufhaus Bergdorf Goodman in Manhattan gehört, musste aber zwischenzeitlich Insolvenz anmelden und wird derzeit saniert. Seit der Pleite der Mutterfirma gehört Mytheresa den Finanzinvestoren, darunter Ares Management und der Canada Pension Plan Investment Board. Die Schulden, die Neiman Marcus damals bei der Übernahme Mytheresa aufbürdeten, werden nun mit den Börsenerlösen abgelöst.

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