Süddeutsche Zeitung

Mecklenburg-Vorpommern:Abgesoffen

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Der Schiffsbauer MV Werften ist Arbeitgeber für fast 2000 Menschen - aber die finanzielle Schieflage des Eigners Genting Hong Kong ist offenbar zu groß: Die Rettungsverhandlungen mit Bund und Land sind gescheitert.

Von Saskia Aleythe, Hamburg

Bemalt ist die Global Dream schon, auf dem Bug fliegt ein Raumfahrer wie Superman über die Wellen, dahinter prangt ein roter Planet mit Umlaufbahn. Auch Schmetterlinge haben es in das Design geschafft, gelbe, blaue - man kann gute Laune bekommen beim Anblick des Kreuzfahrtschiffs, das in Wismar gebaut wird. Bis zu 9500 Passagiere sollen sich auf ihm einmal vergnügen, auch eine Achterbahn gehört zum Spektakel, gedacht vor allem für chinesische Gäste: Sich 55 Meter über dem Meeresspiegel durch die Gegend schleudern zu lassen, das sollte eigentlich schon im vergangenen Jahr möglich sein, da sollte die Global Dream bereits in See stechen.

Aber die Zeit für große Träume ist erst mal vorbei. Am Montag meldeten die MV Werften Insolvenz an, wie das Amtsgericht Schwerin bestätigte. Zuvor waren die Mitarbeiter über diesen Schritt informiert worden. Es ist wohl auch eine direkte Folge der Pandemie, im Laufe der vergangenen zwei Jahre war die Werft finanziell immer mehr in Schieflage geraten. Noch am vergangenen Freitag warteten die Angestellten an den Standorten in Wismar, Rostock und Stralsund auf ihre Löhne.

Die Asiaten stiegen 2016 ein - und sollten die Rettung bringen

Mehr als 1900 Mitarbeiter der Werften in Mecklenburg-Vorpommern verdienen mit dem Bau der Kreuzfahrtschiffe ihr Geld. Als der asiatische Konzern Genting Hong Kong 2016 als Eigner einstieg, sollte das die Rettung für die ostdeutsche Schiffbaubranche sein, international hatte man sich vorher kaum noch behaupten können. Der chinesisch-malaysische Konzern brachte neue Jobs, hat aber ein für die Pandemie ungünstiges Geschäftsmodell: Das meiste Geld verdienen die Asiaten durch das Betreiben von Casinos und Kreuzfahrtschiffen - doch die Amüsierbranche befindet sich seit Ausbreitung des Coronavirus im Krisenmodus. Entsprechend langsam und verhalten flossen die Gelder für die deutschen Werftarbeiter - oder gar nicht. Bis zuletzt konnten die MV Werften die Finanzierung der Global Dream - Projektname Global 1 - nicht sicherstellen, es ist mit 1,5 Milliarden Euro eines der größten und teuersten Kreuzfahrtschiffe der Welt.

Die Zukunft der Werften war zuletzt zum Politikum geworden - der Bund hatte eine Unterstützung von rund 600 Millionen Euro in Aussicht gestellt, finanziert aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der in der Pandemie zur Rettung von Unternehmen und Arbeitsplätzen ins Leben gerufen worden war. Die Global Dream sollte im Fall der MV Werften als Sicherheit verwendet werden, doch es schien immer mehr fraglich zu sein, ob und wie viel Geld vom Eigentümer Genting Hong Kong fließt. Und in Warnemünde bauten sie schon an einem weiteren Global-Schiff.

Noch am Freitag wurde verhandelt - über eine relativ geringe Summe

Bund und Land verhandelten noch am Freitag mit den MV Werften und dem Eigner über die Lage, etwa 60 Millionen Euro Eigenmittel plus Garantien habe der Genting-Konzern beisteuern sollen. Doch selbst über diese vergleichsweise geringe Summe scheiterten die Verhandlungen. Über die Gründe gibt es unterschiedliche Ansichten. "Als Bundesregierung haben wir alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Insolvenz der MV Werften zu vermeiden und so die Arbeitsplätze zu retten", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, "allerdings haben die Eigentümer unser Hilfsangebot ausgeschlagen."

Man habe sich abgearbeitet an den Auflagen des Bundes, sagte MV-Werften-Geschäftsführer Carsten Haake zuletzt. Vom Präsidenten von Genting Hong Kong, Colin Au, war zu vernehmen, der Konzern hätte dem Bund vier Angebote zur Finanzierung vorgelegt, die aber abgelehnt worden seien. Der Eigentümer hatte sich mit seinem Vorgehen zuletzt nicht in eine vorteilhafte Lage manövriert und eher undiplomatisch präsentiert: Noch vor dem Jahreswechsel hatte Genting die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern verklagt: Man wollte die sofortige Auszahlung eines Hilfsdarlehens in Höhe von 78 Millionen Euro gerichtlich erzwingen.

Eine Unterstützung der Werften mit 300 Millionen Euro war bereits im Sommer vom Wirtschaftsministerium abgenickt und gewährt worden, bei den neuen Verhandlungen ging es um die Ausgestaltung des Gesamtpakets. Die Bundesregierung bekräftigte am Montag, die Werften-Gruppe weiterhin unterstützen zu wollen, Voraussetzung sei allerdings ein angemessener Beitrag der Eigentümer. "Selbstverständlich werden wir in den nächsten Wochen weiter in einem engen Austausch mit der Landesregierung bleiben, was die Zukunft der MV Werften anbetrifft", sagte Habeck.

Die IG Metall spricht von einem "schwarzen Tag" für den deutschen Schiffbau

Der ausbleibende Geldfluss aus Fernost hat auch Auswirkungen abseits von Mecklenburg-Vorpommern: Die Lloyd-Werft im Bremerhaven meldete am Montag ebenfalls Insolvenz an, auch sie gehört dem Genting-Konzern. Beschäftigt sind in Bremerhaven etwa 300 Menschen, Übernahmegespräche mit der Stahl- und Schiffbaugruppe Rönner waren zuletzt gescheitert. Die IG Metall sprach angesichts der Ereignisse von einem "schwarzen Tag" für den deutschen Schiffbau.

Wie es mit den Mitarbeitern an den Standorten der MV Werften nun weitergeht, ist unklar. Bereits im vergangenen Jahr waren 1000 feste Stellen gestrichen worden. Und was aus der Global Dream in Wismar wird, ist auch nicht gewiss: Das Schiff ist zu 75 Prozent fertiggestellt.

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