Süddeutsche Zeitung

Modehandel:Adler kämpft ums Überleben

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"Rettung wird blockiert": Die insolvente Modekette beklagt mangelnde Unterstützung durch die Bundesregierung.

Von Caspar Busse

Anfang Januar war es soweit: Die Adler Modemärkte AG mit Hauptsitz bei Aschaffenburg musste wegen Überschuldung Insolvenz anmelden. Seitdem versucht Firmenchef Thomas Freude zusammen mit Sanierer Christian Gerloff, einem erfahrenen Insolvenzverwalter, das Unternehmen mit derzeit noch 3200 Mitarbeitern und 140 Filialen in Deutschland zu retten. Doch es sieht nicht gut aus: Adler geht offenbar das Geld aus. Dabei gebe es "sehr erfolgversprechende Gespräche mit möglichen Investoren", die vor dem Abschluss stünden, sagte Thomas Freude.

Das Problem: Adler braucht zur Überbrückung zehn Millionen Euro und hat einen Kredit aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) beantragt. Doch sowohl Bundeswirtschafts- als Bundesfinanzministerium würden diesen nicht gewähren. "Wir haben den Eindruck, dass hier eine Blockadehaltung vorherrscht", kritisiert Thomas Freude. Er habe das Gefühl, "vor Gummiwände zu laufen". Immer wieder würden Anfragen gestellt, dabei gebe es noch nicht einmal Eingangsbestätigungen, geschweige denn eine Antwort: "Alle Versuche einer Kontaktaufnahme haben zu keinem Ergebnis geführt." Auch die bayerische Staatsregierung habe nicht reagiert. Er habe den Eindruck, dass das Unternehmen "mit fadenscheinigen Gründen ins Aus" getrieben werden soll. Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich zur laufenden Prüfung nicht äußern.

Dass eine Firma in dieser Deutlichkeit öffentlich die Bundesregierung kritisiert, ist unüblich. Adler bietet günstige Mode für Kunden ab etwa 50 Jahren an. Der gesamte Textilhandel leidet derzeit schwer unter der Pandemie, einige Firmen wie Escada, Hallhuber, Bonita oder Appelrath-Cüpper haben schon aufgegeben. Die Konsumenten sind mit Ausgaben für Mode und Textilien zurückhaltend, die Kollektionen haben sich schlecht verkauft und liegen nun auf Lager. Auch neue Ware wird kaum nachgefragt. Selbst große Anbieter wie Hugo Boss melden deutliche Umsatzrückgänge.

Firmengründer Wolfgang Adler hatte sein Unternehmen Anfang der 1980er-Jahre an den Metro-Konzern verkauft. Später wechselte Adler mehrmals den Besitzer, unter anderem stiegen hintereinander mehrere Finanzinvestoren ein. Zuletzt war der Mehrheitsaktionär S&E Kapital beteiligt, wollte aber aussteigen. Hinter S&E stecken die seit gut vier Jahren insolvente Steilmann SE und ein Finanzinvestor. Adler hatte den ersten Lockdown im Frühjahr 2020 noch mithilfe von Kurzarbeit und einem staatlich verbürgten Kredit überstanden, Anfang 2021 kam die Insolvenz.

Firmenchef Freude betonte am Dienstag, Adler habe bis Anfang 2020 gut dagestanden. Das Unternehmen sei "unverschuldet" innerhalb von nur knapp zwölf Monaten in eine existenzielle Krise geraten: "Adler war vor dem Ausbruch der Pandemie ein kerngesundes Unternehmen." 2019 lag der Umsatz bei einer knappen halben Milliarde Euro. Nun kämpfe man mit einem massiven Umsatzausfall. "Kein Unternehmen in unserer Situation kann einen staatlichen Lockdown von sechs Monaten ohne staatliche Hilfe durchstehen", sagt Sanierer Gerloff. Das Problem: Der Onlinehandel ist bei Adler kaum vorhanden, die im Durchschnitt durchaus ältere Kundschaft bevorzuge eben "das sinnliche Shopping-Erlebnis", heißt es dazu. Adler hat nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, Luxemburg und der Schweiz Filialen, die größtenteils geöffnet sind.

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