Süddeutsche Zeitung

Metall- und Elektroindustrie:Betriebe zahlen Lohnerhöhung nicht aus

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Millionen Beschäftigte betroffen: Wegen der Wirtschaftskrise will jede zweite Firma den neuen Metaller-Tarif bis zum Jahresende verweigern.

Detlef Esslinger

Jeder zweite Betrieb in der Metall- und Elektroindustrie will die Tariferhöhung Anfang Mai nicht gewähren.

Millionen Beschäftigte müssen auf eine Lohnsteigerung von 2,1 Prozent verzichten, obwohl sie im Herbst 2008 vereinbart wurde. Eine Klausel im Tarifvertrag erlaubt Betrieben in Schwierigkeiten, die Erhöhung um sieben Monate zu verschieben.

Die Lohnsteigerung war für den 1. Mai 2009 geplant. Dass ein großer Teil der Beschäftigten sie nun nicht erhalten soll, zeigt eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung unter Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Metallbranche.

Situation wird von Woche zu Woche schwieriger

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall schätzt, dass jeder zweite Betrieb die Erhöhung vermeiden will. Der Leiter des IG-Metall-Bezirks Frankfurt, Armin Schild, sagte, in Thüringen wolle fast die Hälfte der Betriebe die Lohnerhöhung nicht von Mai an zahlen, in Hessen und Rheinland-Pfalz jeder dritte und im Saarland jeder vierte.

"Die Situation wird von Woche zu Woche schwieriger", sagte Schild, "die Zahl der Betriebe mit ernsthaften Problemen nimmt drastisch zu." Er rechnet damit, dass die Zahl der Betriebe, die die 2,1 Prozent streichen wollen, bis Anfang Mai noch zunimmt.

In anderen Teilen Deutschlands ist die Tendenz ähnlich. Der bayerische IG-Metall-Bezirksleiter Werner Neugebauer berichtete, dass in 20 Prozent der Betriebe über eine Verschiebung der Tariferhöhung verhandelt werde. In Nordrhein-Westfalen liegt der Anteil nach Gewerkschaftsangaben "deutlich unter zehn Prozent", im Bezirk Küste bei zehn Prozent. Die IG Metall in Baden-Württemberg äußerte sich nicht.

Da in diesem Bundesland ein großer Teil der Auto- und Zulieferindustrie liegt, dürfte die Zahl der Betriebe, die die Tariferhöhung nicht gewähren wollen, hoch sein. Zu ihnen gehört Daimler. Der Betriebsratsvorsitzende Erich Klemm ist inzwischen zu Verhandlungen bereit, nachdem er dies bisher ablehnt hatte.

Möglich ist das Vorgehen der Arbeitgeber wegen einer Klausel im Tarifvertrag, den sie im vergangenen November mit der IG Metall abgeschlossen haben. Sie vereinbarten für die 3,6 Millionen Beschäftigten zwei Lohnsteigerungen von jeweils 2,1 Prozent - eine zum 1.Februar, eine zum 1.Mai. Die zweite Erhöhung kann ein Betrieb um bis zu sieben Monate verschieben, falls er sich "in wirtschaftlichen Schwierigkeiten" befindet. Voraussetzung dafür ist eine Einigung mit dem Betriebsrat.

Keine generelle Verschiebung

Diese Einigung ist bisher meist zustande gekommen; allerdings haben die Arbeitnehmervertreter dafür Zugeständnisse verlangt. Im IG-Metall-Bezirk Frankfurt haben die Betriebsräte nach Angaben von Bezirksleiter Schild "in fast allen Fällen" eine generelle Verschiebung abgelehnt und nur einer Stundung für sieben Monate zugestimmt. Opel-Betriebsrats-Chef Klaus Franz sagte der SZ, die 2,1 Prozent seien Teil des Verhandlungspakets über die Zukunft des Konzerns.

Er strebe an, mit dem womöglich eingesparten Geld eine künftige Beteiligung der Mitarbeiter an Opel zu finanzieren. In anderen Firmen vereinbarten Geschäftsleitung und Betriebsrat, im Gegenzug zur Streichung der 2,1 Prozent eine Beschäftigungsgarantie, außerdem die Übernahme der Auszubildenden sowie den Erhalt des betrieblichen Weihnachtsgeldes.

Die IG Metall hatte in den vergangenen Tagen erklärt, einer Verschiebung der Erhöhung generell nur zuzustimmen, wenn die Arbeitgeber Gegenleistungen anbieten. Bei Gesamtmetall hieß es, im Tarifvertrag sei von Gegenleistungen keine Rede. Ein "zuverlässiger Tarifpartner" äußere sich anders.

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SZ vom 11.04.2009/hgn
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