Süddeutsche Zeitung

Mehrweg-Becher:Die Schweizer Lösung

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Die Pflicht, Mehrweg-Becher anzubieten, scheitert vor allem an der Vielzahl der Anbieter. Ein Schweizer Start-up möchte die Rückgabe auch hierzulande vereinheitlichen - doch das wird schwierig.

Von Tobias Bug

Coffee to go im Einwegbecher, das finden viele ziemlich praktisch. Doch die Bequemlichkeit hat ihren Preis: Laut Umweltbundesamt werden deutschlandweit jährlich 2,8 Milliarden Einwegbecher verbraucht, das entspricht im Schnitt etwa 34 Bechern pro Person und Jahr und verursacht in diesem Zeitraum rund 28 000 Tonnen Müll - 77 Tonnen pro Tag.

Um der Müllflut Einhalt zu gebieten, hat die Bundesregierung Anfang des Jahres das Verpackungsgesetz verschärft. Cafés, Bistros und Restaurants müssen nun für alle Einwegbecher und alle Einweg-Essensverpackungen aus Kunststoff alternativ Mehrwegbehälter anbieten. Die Pflicht hat jedoch zu einer Vielzahl an Systemen geführt. Es gibt Mehrweganbieter wie Recup, Vytal und Relevo, zusätzlich haben Starbucks, Edeka und McDonald's eigene Mehrwegbecher eingeführt, die dann aber auch nur in den eigenen Filialen zurückgegeben werden können.

Pilotprojekt in Bern

"Wir erleben seit Monaten in Deutschland eine Invasion der Mehrweganbieter", sagt Torge Barkholtz, Gründer und Geschäftsführer des Schweizer Start-ups Kooky. Es hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Mehrwegbecher annähernd so praktisch zu machen wie den Einwegbecher.

In Zusammenarbeit mit der Stadt Bern hat das Unternehmen im Herbst ein Pilotprojekt gestartet. Gegen ein Pfand von einem Schweizer Franken können sich Kunden in den Berner Filialen der Partnerbetriebe des Start-ups ihr Heißgetränk in einen Mehrwegbecher von Kooky abfüllen lassen. Dabei sind unter anderem die Supermarktketten Coop und Migros, die Bäckereien Reinhard, Bakery Bakery und Brezelkönig und die Café-Kette Caffè Spettacolo - insgesamt 60 Verkaufsstellen. Nach dem Kauf muss der Kunde den QR-Code auf dem Becher über die Kooky-App scannen und dort einmalig seine Telefonnummer hinterlegen. Zurück gibt er den Becher dann an einer der Returnboxen, die Kooky überall in der Berner Innenstadt, an Bahnhöfen und in Geschäften aufgestellt hat.

Die intelligente Box scannt bei der Rückgabe wiederum den QR-Code des Bechers, öffnet dann automatisch eine Klappe, in die Becher und Deckel gelegt werden. Das Pfand wird dem Kunden anschließend elektronisch gutgeschrieben. Ist die Rückgabebox voll, kommt ein Kooky-Mitarbeiter auf dem E-Bike vorbei, leert sie und bringt die benutzten Becher in ein Reinigungsunternehmen, wo sie gespült werden. Anschließend werden die sauberen Becher wieder in Umlauf gebracht. "Wenn ein Becher 18 Mal den Kreislauf durchlaufen hat, ist seine Ökobilanz schon besser als bei einem Einwegbecher", sagt Kooky-Gründer Barkholtz. Insgesamt könne ein Becher aber bis zu 120 Mal genutzt werden.

Die Stadtverwaltung ist bis dato zufrieden

Sven Gubler, der für die Stadt Bern die Kooperation mit Kooky ausgehandelt hat, ist zufrieden mit dem Start der Pilotphase. "Bisher haben wir eine Mehrwegnutzung von fünf Prozent, am Ende des zweijährigen Pilotprojekts wollen wir zehn Prozent erreichen." In manchen Verkaufsstellen wird schon heute jedes vierte Heißgetränk in einem Mehrwegbecher herausgegeben. Die Stadt Bern will in den nächsten Monaten im gesamten Stadtgebiet Rückgabeboxen aufstellen lassen. Kooky kooperiert auch mit dem Schweizer Bahnunternehmen SBB, das das Mehrwegsystem schweizweit ausrollen will. Bisher können Reisende in vier Bahnhöfen Getränke in Kooky-Bechern kaufen und diese zurückgeben. 19 Bahnhöfe sollen bis Mitte 2024 folgen.

Das System macht es einerseits den Verbrauchern leichter, weil sie die Becher, ähnlich einfach wie den Einwegbecher im Mülleimer, in den vielen Boxen im Stadtgebiet entsorgen können. Deren Standorte können sie in der Kooky-App einsehen. Menschen ohne Smartphone können die Rückgabeplattform allerdings nicht nutzen und müssen weiter zum Einwegbecher greifen.

Das System entlastet auch die teilnehmenden Gastro-Betriebe: "Für uns ist die Nutzung von Kooky-Bechern eigentlich identisch zu der von Einwegbechern", sagt ein Sprecher des Foodvenience-Konzerns Valora, zu dem unter anderem eine Kaffeekette gehört. "Wir müssen die Becher nicht selbst spülen, wie zum Beispiel einen Becher von Recup, und viel mehr als Einwegbecher kosten sie uns auch nicht." Jeder Partnerbetrieb zahlt 20 Rappen (etwa 20 Cent) Nutzungsgebühr pro Becher an Kooky, ein Einwegbecher kostet um die zehn Rappen.

In der Schweiz gibt es keinen Zwang zu Mehrweg

Das einheitliche Rückgabesystem ist in Bern ohne staatlichen Zwang und ohne Konkurrenz entstanden, es gibt in der Schweiz keine gesetzliche Mehrwegangebotspflicht. In Deutschland macht es die unübersichtliche Situation deutlich schwieriger, ein einheitliches, verbraucherfreundliches Mehrwegsystem zu schaffen. Dieses Problem möchte Kooky-Gründer Barkholtz nun angehen.

Seine Vision: In Zukunft sollen alle Mehrwegbecher der verschiedenen Anbieter an einheitlichen Rückgabeboxen zurückgegeben werden können und zentral gespült werden. Die Verhandlungen mit den Anbietern in Deutschland liefen, sagt Barkholtz, aber sie liefen schleppend, weil es so viele verschiedene Interessen zu vereinen gelte.

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