Süddeutsche Zeitung

Managerrenten:Schafft diese riesigen Ruhegehälter ab!

Lesezeit: 3 min

Es wird Zeit, den Kapitalismus vor jenen zu retten, die ihn zur Selbstbedienung missbrauchen. Ein Manager, der 60 Mal so viel verdient wie seine Mitarbeiter, hat nicht 60 Mal so viel geleistet.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Dieter Zetsche bemühte sich stets, Daimler zur Nummer eins der deutschen Premium-Autohersteller zu machen. Dass ihm das gelang, trägt zu seiner Wertschätzung bei. Diese leidet nun zurecht, seit klar ist, dass der 65-Jährige wohl selbst zu einer Nummer eins wird: Er erhält höhere Ruhestandsbezüge als mutmaßlich jeder andere deutsche Firmenchef vor ihm.

Die Empörung darüber ist groß. Im Zeitalter des Internets wird gern zur persönlichen Beschimpfung gegriffen. Dabei wäre es besser, nüchtern bei den Fakten zu bleiben. Beschäftigte von Autokonzernen sind im Alter generell besser gestellt als andere Arbeitnehmer, sie erhalten oft zusätzlich eine hohe Betriebsrente. Und dann war Zetsche ja noch besonders erfolgreich, im Gegensatz zu vielen Managern, die versagen und trotzdem üppige Abfindungen bekommen. Doch selbst wer all das anerkennt, darf Dieter Zetsches Daimler-Rente absurd finden.

Er soll bis zu 4200 Euro am Tag erhalten, fast hundert Mal so viel wie ein Durchschnittsverdiener, der ebenso lang arbeitete. Hat der Daimler-Boss (oder irgendein anderer Manager) hundert Mal so viel Leistung gebracht? Bedarf er nach seinen Gehaltsmillionen wirklich noch einer Luxusrente, um einen angenehmen Ruhestand zu haben, der ihm gegönnt sei? Nein.

Daher verstärkt die Zetsche-Rente den Eindruck hart arbeitender Normalverdiener, dass es im Kapitalismus ungerecht zugeht. Ungerechter als früher: Während Manager großer Firmen in den 1980er-Jahren 15 Mal so viel wie verdienten wie ihre Mitarbeiter, sind es heute 60 Mal so viel. Danach winken Altersbezüge, die sich bei früheren Dax-Vorständen im Schnitt auf mehr als 30 000 Euro monatlich belaufen. Und bei einem wie Ex-VW-Chef Martin Winterkorn auf fast 100000 Euro. Der reale Lohn vieler Arbeitnehmer stagnierte dagegen in den vergangenen 20 Jahren. Die Altersbezüge entwickelten sich ebenfalls oft mager. Die Zetsche-Rente entsolidarisiert eine Gesellschaft, die Zusammenhalt braucht, um Herausforderungen wie Globalisierung, Migration und Digitalisierung zu bestehen. Deshalb richten solche Megazahlungen echten Schaden an.

Es gibt Abhilfe: Wer wie der Daimler-Chef 2017 13 Millionen Euro verdiente, darbt nicht ohne riesiges Ruhegehalt. Er kann selbst für sein Alter vorsorgen. Und dazu benötigt er, auch das gehört zur Gerechtigkeit, weniger als 13 Millionen Euro Gage im Jahr.

An dieser Stelle wenden Liberale gern ein, über die Bezahlung eines Managers solle nur der Markt entscheiden. Wenn Zetsche 4200 Euro Rente am Tag bekommt, ist er das demnach einfach wert. Solche absurden Summen irgendwie zu beschränken, gefährdet demnach das Wohl einer Firma. Für weniger Geld bekommt sie angeblich nur schlechtes Personal. Mal abgesehen davon, dass Firmen auch schlechtem Personal häufiger Millionen zahlen: Wenn das so eindeutig ist mit der Gehaltskonkurrenz, warum wandern nicht massenweise deutsche Manager in die USA ab, wo noch mehr gezahlt wird? Und warum gibt es dann in Japan international erfolgreiche Firmen, obwohl da Vorstände traditionell weniger verdienen als in Deutschland?

Der Markt schafft an, jeder Manager verdient seinen Millionenscheck: Das ist genau die seelenlose Argumentation, die den Kapitalismus bei vielen Bürgern in Verruf bringt. Leider. Denn er vermag bisher grundsätzlich besser als jedes andere Wirtschaftssystem, Wohlstand für alle zu produzieren. Deshalb wird es Zeit, den Kapitalismus vor jenen zu retten, die ihn zur Selbstbedienung missbrauchen.

Zetsches Megarente schadet dem Gemeinwesen

Die deutschen Unternehmen sollten selbst damit anfangen, riesige Ruhegehälter abzuschaffen - und die Gehälter selbst zu begrenzen. Manager müssen nicht 60 Mal so viel verdienen wie ihre Mitarbeiter. Das schürt nur Frust. Nebenbei betoniert es Hierarchiemuster von gestern. Im Zeitalter globaler Konkurrenz profitieren die Unternehmen viel eher von Beschäftigten, die eigenständig Ideen entwickeln, statt in Demut vor dem Organigrammstatus der Vorgesetzten zu erstarren.

Die Bundesregierung sollte den Unternehmen ein paar Jahre Zeit geben, die Managergagen zu regulieren. Geschieht nichts, wäre es denkbar, Ruhegehälter zu deckeln und Gehälter auf ein bestimmtes Vielfaches des Durchschnittsverdiensts zu beschränken.

Dieter Zetsche hat nicht nur Daimler nach vorne gebracht, er äußerte sich im Gegensatz zu anderen Managern auch offen zu Fragen des Gemeinwesens wie der Migration. Das bescherte ihm Sympathien. Dass Zetsche nicht erkennt, wie sehr er dem Gemeinwesen mit seiner Megarente schadet, zeigt leider, wie abgehoben er doch ist.

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Quelle:
SZ vom 30.01.2019
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