Süddeutsche Zeitung

Lufthansa-Rettung:Die Regierung muss ein Milliardengrab für Steuerzahler verhindern

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Wenn die Lufthansa die Hilfe des Staates will, dann zu den ausgehandelten Bedingungen. Das muss auch Großaktionär Thiele akzeptieren. Die Koalition darf sich von niemandem erpressen lassen.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Für die Aktionärsversammlung der Lufthansa in dieser Woche dürfte ein bitterer Satz von Jens Weidmann den Weg weisen. Diese Pandemie macht uns weltweit ärmer, hat der Bundesbankpräsident in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) gesagt; und wenn man weltweit streicht, wird die Dramatik noch deutlicher: Die von dem Coronavirus ausgelöste Krise wird auch in Deutschland zu riesigen Vermögensverlusten führen. In Privathaushalten, vor allem aber bei Unternehmen wie der Lufthansa, die wegen des Virus ihr Geschäftsmodell erneuern und zugleich Millionenbeträge an Sachwerten abschreiben müssen: Flugzeuge, die nicht fliegen, sind nichts mehr wert.

Im Lichte der Einschätzung des nicht zur Übertreibung neigenden Bundesbankpräsidenten hört es sich unverblümt erpresserisch an, wenn Lufthansa-Großaktionär Heinz Hermann Thiele öffentlich mit seiner Zustimmung zu dem zäh ausgehandelten staatlichen Rettungspaket spielt. Seiner Meinung nach hat sich der Staat zu starke Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte gesichert. Der Krach, den er mit der Spielerei verursacht hat, war so laut, dass er umgehend einen Termin mit zwei Ministern in Berlin bekommen hat.

Schon allein diese Bevorzugung ist falsch. Der Staat hat mit seinen Hilfen längst die Grenze des Vertretbaren erreicht. Obwohl nicht zu verhindern ist, dass das Coronavirus bei der Lufthansa massiv Vermögenswerte vernichtet, stellt die große Koalition neun Milliarden Euro bereit, um dem Unternehmen zu helfen, ihr Geschäftsmodell an die Pandemie anzupassen und darüber hinaus zu entwickeln. Sie gibt mehr als doppelt so viel, wie die Lufthansa an der Börse wert ist. Die Bürger gehen in ein Risiko, das so wenig kalkulierbar ist wie das Virus selbst.

Dass in dieser Lage ein Aktionär wissen lässt, er wolle nachverhandeln oder eine Insolvenz prüfen, zeigt eine Art von Kapitalismus, die nichts mit sozialer Marktwirtschaft zu tun hat. So handelt kein verantwortungsbewusster Investor, dem es darum geht, das Unternehmen sozial verträglich fit zu machen. Sondern jemand, der Cash machen will, der das Staatsgeld nehmen und die Lufthansa nach seinem Gusto von Grund auf sanieren will, Massenentlassungen inklusive.

Aktionäre müssen die Verluste aus der Corona-Krise mittragen

Es ist zumindest fahrlässig, wenn (auch staatlicherseits) suggeriert wird, die Lufthansa sei mit dem Milliardenpaket gerettet. Das stimmt so nicht. Faktisch wird das Rettungspaket erst einmal sicherstellen, dass täglich Millionenverluste der Airline auf das staatliche Hilfskonto gebucht werden können. Gerettet ist die Lufthansa erst, wenn sie wieder fliegen und damit Erträge erwirtschaften kann.

Zur Wahrheit gehört, dass kein Beispiel gegenwärtig ist, bei dem sich die Steuerzahler temporär an einem angeschlagenen Unternehmen beteiligt haben - und mit Gewinn wieder ausgestiegen sind. Die Beteiligungen sind überwiegend nicht abgeschlossen; das gilt insbesondere für die aus der Finanzkrise 2010, als die Steuerzahler 68 Milliarden Euro verloren.

Die Bundesregierung ist dafür verantwortlich, ein weiteres Milliardengrab für die Steuerzahler zu vermeiden. Aktionäre müssen die Verluste aus der Corona-Krise mittragen. Wenn die Lufthansa Staatshilfen will, dann zu den ausgehandelten Bedingungen. Die Koalition darf sich von niemandem erpressen lassen. Zugleich haben die Bürger jedes Recht auf transparente Auskünfte über die Hilfen.

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SZ vom 23.06.2020
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