Süddeutsche Zeitung

Lufthansa:Fliegen soll wieder billiger werden

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Von Jens Flottau, Frankfurt

Zumindest bei diesem Termin war die Lufthansa von ihrem eigenen Erfolg überrascht. Deutschlands größte Fluggesellschaft sucht Flugbegleiter und hatte zum Casting in ein Mainzer Hotel eingeladen, anstatt auf dem formalen und eher langsamen Bewerbungsverfahren zu bestehen. Personalausweis mitbringen, zwei kurze Vorstellungsgespräche, Zu- oder Absage noch am selben Tag. 800 Bewerber wollten kommen, für 400 war Platz. Am Ende bekamen 40 einen neuen Job, Lufthansa hatte ein Problem weniger.

Konzernchef Carsten Spohr zieht eine Lehre aus dem Experiment: "Wir müssen uns nur trauen." Sobald das als konservativ und schwerfällig verschriene Unternehmen einmal etwas Neues wage, komme oft mehr heraus, als die Mitarbeiter selbst vermuteten. Daher gelte: "Wir müssen mehr aus der Substanz der Firma herausholen."

Und Spohr scheint erste Erfolge zu haben: Lufthansa werde es 2016 zum ersten Mal überhaupt schaffen, die Stückkosten zu senken, und zwar auch ohne den sehr positiven Effekt der niedrigen Treibstoffkosten und ohne das starke Wachstum bei der Billigtochter Eurowings. Positiv für die Kunden: Lufthansa wird die niedrigeren Kosten weiterreichen, sprich, die Preise senken, wie Spohr in Aussicht stellte - auch wegen der Konkurrenz.

Die Fluggesellschaft verändert sich gerade, aber schneller geht es nicht mehr, meint Spohr

Vor genau zwei Jahren hatte er quasi sein Regierungsprogramm vorgelegt. Mit dem Namen "7 to 1 - our way forward" und sieben Handlungsfeldern waren Name und Inhalt etwa so kompliziert, wie man das bei Lufthansa vermuten könnte. Nun, nach zwei Jahren, bilanziert der Lufthansa-Chef zweierlei: sieben Felder waren ein bisschen viel zu vermitteln, weswegen er sich künftig in der Kommunikation auf die Ziele Qualität, Innovation und kontinuierliche Verbesserung konzentrieren will. Und er glaubt: "Wir haben die Veränderungsgeschwindigkeit an den Rand dessen gebracht, was die Lufthansa schaffen kann."

Zu Spohrs zentralen Zielen gehört es, die Kosten bei der Kernmarke Lufthansa so in den Griff zu bekommen, dass diese "wieder wachstumsfähig wird", nachdem sie nun fünf Jahre in Folge geschrumpft ist. Gleichzeitig soll die Billigsparte Eurowings neue Kunden gewinnen. Nach der Einigung auf ein Schlichtungsergebnis im Tarifkonflikt mit der Flugbegleitergewerkschaft UFO glaubt Spohr, man sei "einen großen Schritt weitergekommen." Die Details werden am Dienstag vorgestellt.

Dem neuen Ableger verordnet Spohr weiterhin ein strammes Expansionsprogramm. Um 20 Prozent soll Eurowings im laufenden Jahr zulegen, Lufthansa selbst bietet - mit weniger, aber größeren Flugzeugen - nur 2,5 Prozent mehr Sitzkilometer an. Bei Eurowings sollen die Kosten pro Sitz bis 2020 noch einmal um 28 Prozent sinken, dann wäre die Sparte auf dem Niveau von Easyjet. Dafür wird in den nächsten vier Jahren die ehemalige Billigsparte Germanwings abgewickelt - die vergleichsweise teuren Piloten wechseln zurück zu Lufthansa, die Flugzeuge zu Eurowings, und dort werden für sie Besatzungen zu günstigeren Bedingungen eingestellt.

Erstmals fliegen mehr Piloten außerhalb des teuren Tarifvertrags als innerhalb

Damit bleibt noch die Auseinandersetzung mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit. Spohr nutzt das Schrumpfen im Kerngeschäft ganz bewusst als Druckmittel, denn ohne Wachstum sind die von vielen erhofften Kapitänsjobs zwar in der Theorie weiterhin nett dotiert, es gibt aber immer weniger von ihnen. 2016 fliegen in der Gruppe erstmals mehr Piloten außerhalb des teuren Konzerntarifvertrages als innerhalb. Bis Ende Juli haben sich die beiden Seiten Zeit gegeben, um zu sondieren, "ob wir in einen Verhandlungsmodus zurückkommen können". Aber Spohr ist "optimistisch, dass der Dialog zu einem Ergebnis führen wird".

Und er hat offenbar die Hoffnung noch nicht aufgegeben, die einstige Konzerntochter Condor zurückzuholen und in die Eurowings-Sparte zu integrieren. Wenn die Bedingungen stimmen, kann sich der Lufthansa-Chef offenbar sogar vorstellen, mitsamt der Condor auch die anderen Ferienfluggesellschaften des Reisekonzerns Thomas Cook in Belgien und in Großbritannien zu übernehmen. "Eurowings ist paneuropäisch, wir sind sowohl in Belgien als auch in England sehr erfolgreich", betont er. Wegen der großen Synergien innerhalb von Thomas Cook gilt es als unwahrscheinlich, dass das Unternehmen Condor allein verkaufen würde.

Spohr deutete zudem an, dass er sich weitere Investoren bei Eurowings vorstellen könne oder eine Fusion mit einem anderen Billigflieger. "Eurowings kann auch auf Augenhöhe konsolidiert werden". Es gebe zu viele Billig-Airlines in Europa. Namen wollte Spohr freilich lieber nicht verraten.

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SZ vom 05.07.2016
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