Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Lufthansa steht ein schlimmer Winter bevor

Lesezeit: 3 min

Deutschlands größte Fluggesellschaft macht enorme Verluste. Doch im kommenden Jahr könnte manches besser werden.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Seit Monaten muss Lufthansa-Chef Carsten Spohr den Posten des Finanzvorstands mitübernehmen, weil der bisherige Amtsinhaber Ulrik Svensson aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste. Die wirtschaftliche Lage der Fluggesellschaft macht sie gerade nicht zu einem attraktiven Arbeitgeber, die Zeiten sind härter denn je, die Zahlen auch. Dennoch ist Hilfe in Sicht: Schlüsselpositionen wie der des Finanzvorstands und der Vorstandsvorsitz bei der Tochter Swiss International Air Lines sollen schon bald nachbesetzt werden.

Die Neuen müssen sich auf einen schlimmen Winter und ein sehr unsicheres Jahr 2021 einstellen. Lufthansa wird in den nächsten Monaten nur ein Viertel der Vorjahreskapazität anbieten und weniger als ein Fünftel der Passagiere befördern, der Konzern begibt sich in eine Art Winterschlaf, um die Kosten so weit wie möglich zu drücken und so wenig liquide Mittel wie möglich zu verbrauchen. Dennoch wird er bis Weihnachten im vierten Quartal weitere 350 Millionen Euro verbrennen, weil die Infektionsraten stark gestiegen und mit ihnen Lockdowns und weitere Restriktionen gekommen sind. Der Luftverkehrsgipfel, zu dem Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eingeladen hat, soll Hilfsprogramme für Flughäfen und Flugsicherung bringen, Lufthansa hat schon im Sommer neun Milliarden Euro bekommen.

Die meisten Kunden sollen ihr Geld erhalten haben

Das Geld war dringend nötig: Für die ersten neun Monate des Jahres weist Lufthansa einen Nettoverlust von 5,6 Milliarden Euro aus, inklusive Sonderabschreibungen in Höhe von 1,4 Milliarden für die Airbus A 380- und A 340-600-Teilflotten, die nach menschlichem Ermessen nicht mehr gebraucht werden. Der Umsatz ist um 60 Prozent auf knapp elf Milliarden Euro eingebrochen. Und allein im dritten Quartal flossen 2,1 Milliarden ab, fast alles davon ging an Kunden, deren Flüge storniert wurden. Nachdem die meisten nun ihr Geld erhalten haben, wird immerhin der Posten deutlich geringer, gut 200 Millionen sollen es bis Ende Dezember sein.

Spohr versuchte am Donnerstag dennoch, so etwas wie Optimismus zu verbreiten. Allerdings räumte er ein, dass es "schwerer als jemals zuvor ist, einen zuverlässigen Ausblick zu geben. Niemand weiß, wann der Luftverkehr zurückkommen wird". Und solange breit angelegte Testprogramme, die Passagiere vor Abflug durchlaufen müssen, nicht eingeführt sind und Impfstoffe nicht breit zur Verfügung stehen, "wird die Nachfrage niedrig bleiben", so Spohr.

Lufthansa Cargo steuert auf ein Rekordjahr zu

Dennoch sei er zuversichtlich, dass Lufthansa die kommenden Monate meistere und am Ende im Vergleich zur Konkurrenz besser durch die Krise komme. Die Liquidität sei trotz allem mit rund zehn Milliarden Euro stark, das Unternehmen achte extrem darauf, zu sparen, wo es nur irgendwie geht. Es würden nur Flüge durchgeführt, die Geld brächten. Die Frachttochter Lufthansa Cargo steuert auf ein Rekordjahr zu, weil in Zeiten knapper Kapazitäten die Preise um 50 Prozent gestiegen seien. Und schließlich sieht Spohr im Drehkreuz-Konzept einen Vorteil für den Konzern gegenüber den Billigfluggesellschaften.

"Geringere Nachfrage führt dazu, dass mehr Verkehr an Drehkreuzen gebündelt wird", so Spohr. Hingegen würden immer mehr Direktverbindungen wirtschaftlich unmöglich, denn auf den Flugzeugen befänden sich keine Umsteiger.

In der akuten Krise gibt es diesen Effekt zwar, allerdings gehen die meisten Analysten davon aus, dass sich die auf den Direktverkehr spezialisierten Billigfluggesellschaften dennoch schneller nach der Krise erholen werden, weil die Nachfrage nach günstigen Tickets für Urlauber rascher anspringen wird als das Geschäftsreisesegment und weil sie deutlich niedrigere Kosten haben, als es ein komplexes Umsteigersystem verursacht.

Impfstoffe könnten steilen Aufschwung bewirken

Spohr sah sich außerstande zu quantifizieren, was all die Effekte am Ende wirtschaftlich für das Jahr 2021 bedeuten. Allerdings glaubt er, dass Lufthansa im Laufe des kommenden Jahres den Abfluss der liquiden Mittel stoppen könne, unter der Voraussetzung, dass der Verkehr auf mindestens 50 Prozent des Niveaus von 2019 zurückkehre. Das hängt stark von der Geschwindigkeit ab, in der Covid-19-Impfstoffe verteilt werden, denn praktisch alle im Luftverkehr glauben, dass es danach wieder steil bergauf gehen wird. Die europäische Flugsicherungsbehörde Eurocontrol rechnet für 2021 mit Rückgängen von 27 bis 50 Prozent gegenüber 2019, andere teilen also Spohrs Hoffnungen.

Weiterhin schwierig sind die Verhandlungen mit den Gewerkschaften wie Vereinigung Cockpit und Verdi (Bodenpersonal) über Krisenvereinbarungen wie Teilzeitregeln, durch die möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben sollen. Diese müssten "jetzt auch Verantwortung übernehmen", forderte er.

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