Süddeutsche Zeitung

Lobbyismus:Aufgalopp der Autochefs

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Geht es um die Vermeidung von Auflagen, macht die Industrie Druck - etwa beim Klima. Innerhalb von acht Wochen gab es mindestens 24 Treffen zwischen den Chefs der Autokonzerne und verschiendenen Regierungsvertretern.

Von Michael Bauchmüller, Markus Balser, Berlin

Mitte April werden die Chefetagen aktiv. Die neue Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat gerade das "riesige Einsparpotenzial" beschworen, dass sich für die Autoindustrie auch bei den klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen auftue. Und das, wo doch gerade Verhandlungen über neue europäische Grenzwerte anlaufen, für die Zeit bis 2030.

Daimler-Chef Dieter Zetsche bekommt einen Termin im Kanzleramt und gleich darauf im Finanzministerium. Ford-Deutschlandchef Gunnar Herrmann trifft zum "Meinungsaustausch zu aktuellen Themen" im Wirtschaftsministerium ein, der neue Chef des Automobil-Verbands VDA, Bernd Mattes, lässt sich binnen zwei Wochen gleich zweimal im Kanzleramt blicken. Auch Volkswagen-Chef Herbert Diess ist dort, ebenso wie der Boss der französischen PSA-Gruppe, Carlos Tavares. Er kommt mit dem Chef seiner Tochter Opel, Michael Lohscheller. Beehrt werden auch Verkehrs- und das Umweltministerium.

Binnen acht Wochen, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen, kamen so mindestens 24 Treffen zwischen Konzernchefs und Regierungsvertretern zustande. Und alles nur wegen der CO₂-Regulierung. Für die Autobauer ein heikles Thema. Seit Jahren schreibt die EU Grenzwerte vor, die über den Durchschnitt der Flotte hinweg einzuhalten sind. Bis 2021 muss der Flottengrenzwert bei 95 Gramm CO₂ je Kilometer liegen. Halten die Konzerne ihn nicht ein, drohen empfindliche Strafen. Jetzt aber soll dieser Wert verschärft werden. Die EU-Kommission will ihn bis 2025 um 15 Prozent absenken, bis 2030 um 30 Prozent. Schulze schwebt ein schärferer Schnitt vor, um 25 Prozent bis 2025 und um 50 Prozent bis 2030. Verkehrs- und Wirtschaftsministerium geht das zu weit.

Die Automobilindustrie sei eine Schlüsselbranche und stehe etwa mit der CO₂-Regulierung vor großen Weichenstellungen, erklärt der VDA zu den Aktivitäten. "Dazu ist ein intensiver Dialog mit den politischen Entscheidungsträgern von großer Bedeutung." Schon der Vorschlag der EU-Kommission stelle die Automobilindustrie vor erhebliche Herausforderungen. "Andere gehen noch weit darüber hinaus." Politik müsse die Ziele Klimaschutz und Beschäftigungssicherung gleichermaßen verfolgen.

Als vorige Woche die EU-Umweltminister ihre Standpunkte austauschten, musste die deutsche Ministerin auf die "noch laufende Abstimmung in der Bundesregierung" verweisen. Die Intervention der Industrie war offenbar erfolgreich. Umweltverbände fanden übrigens nicht so viel Gehör. In der gleichen Zeit waren sie dreimal zu Gast bei der Regierung. Immer beim Umweltministerium. Die Bosse", sagt Grünen-Politikerin Lisa Badum, "sind anscheinend wichtiger als Parlament und Bevölkerung."

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Quelle:
SZ vom 05.07.2018
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