Süddeutsche Zeitung

Lieferdienste:Delivery Hero kommt zurück nach Deutschland

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Nach mehr als zweieinhalb Jahren will Delivery Hero hierzulande wieder ins Liefergeschäft einsteigen - zunächst in Berlin und dann in anderen Großstädten. Die Konkurrenten kündigten sofort an, dass auch sie ihre Dienste erweitern werden.

Von Caspar Busse, München

Ende 2018 hatte Firmenchef und -gründer Niklas Östberg den Abschied aus Deutschland verkündet: Der weltweit tätige Lieferdienst Delivery Hero verkaufte damals alle Aktivitäten in Deutschland an den niederländischen Konkurrenten Takeaway.com und erhielt dafür knapp eine Milliarde Euro. Seitdem war die Zentrale des Unternehmens zwar weiter in Berlin, Kuriere von Delivery Hero waren hierzulande aber nicht mehr unterwegs. Die ursprünglichen Marken Lieferheld, Pizza.de und Foodora gingen an den Rivalen, der vor allem unter dem Namen Lieferando aktiv ist.

Jetzt aber macht Östberg die Kehrtwende: Delivery Hero kommt zurück nach Deutschland und will nun einen eigenen Lieferdienst aufbauen - unter der Marke Foodpanda, mit der das Unternehmen auch in anderen Märkten aktiv ist. "Wir werden nicht nur die Restaurant-Lieferung von Essen anbieten. Wir werden auch alles andere liefern, von Lebensmitteln über Schuhe bis zu Pharmaprodukten. Eben alles, was die Shops in der direkten Umgebung anbieten", sagt Östberg der Süddeutschen Zeitung. Die Vorgaben sind hoch: "Unser Ziel sind Lieferungen innerhalb von einer Frist von bis zu sieben Minuten - zwischen Bestellung und Lieferung." In anderen Ländern hat Delivery Hero das Angebot bereits ausgeweitet, dort werden nicht nur Essen im Auftrag von Restaurants ausgeliefert, sondern auch andere Dinge des täglichen Bedarfs - von lokalen Händlern an die Kunden. In der Corona-Pandemie kam dieses Angebot, das Q-Commerce ( Quick Commerce) heißt, international gut an.

Auch Lieferando und Uber setzen auf Deutschland

Die Konkurrenz in Deutschland wird damit immer härter. Lieferando ist seit dem Rückzug von Delivery Hero in Deutschland klarer Marktführer und kündigte am Mittwoch sofort eine Erweiterung seines Lieferangebots an. Die mehr als zwölf Millionen Nutzern könnten nun auch Lebensmittel und ausgewählte Supermarktartikel bestellen, Deutschland sei im Konzern, der inzwischen Just Eat Takeaway heißt, Testmarkt für dieses neue Angebot. Im Durchschnitt sollen die Lieferungen in 20 bis 30 Minuten erfolgen. Für Lieferando sind derzeit 10 000 Kurieren in rund 50 deutschen Städten tätig. Zudem teilte der Fahrdienst-Vermittler Uber mit, ab sofort das Geschäft mit Essenslieferungen in Deutschland aufzunehmen. Der Service Uber Eat starte im Zentrum Berlin, mehr als 200 Restaurants machten mit. Am Ausbau werde bereits gearbeitet, so Uber. Die Mitteilungen von Lieferando und Uber kamen nur kurz nach der Ankündigung von Delivery Hero. Auch rasant wachsende Liefer-Startups wie Gorillas oder Flink kämpfen um den Markt.

Die Gastronomen müssen an die Lieferdienste hohe Provisionen zahlen, die Arbeitsbedingungen der Kuriere gelten als schlecht, nun könnte der Druck weiter steigen. In der Pandemie und aufgrund der Schließungen der Gastronomie im Lockdown haben die Essenslieferungen sprunghaft zugenommen. "Wir würden nie einen neuen Dienst in Deutschland starten, wenn wir nicht das Gefühl hätten, dass wir etwas substanziell Besseres machen können. Wir haben etwas Neues", sagt nun Östberg. Die Qualität des Angebots soll also besser sein als das der Konkurrenz, schneller und zuverlässiger.

Von Juni an will Delivery Hero nun mit einer Testphase in den Berliner Stadtteilen Mitte und Prenzlauer Berg beginnen. Vom 10. August an soll das Angebot offiziell starten. "Wir bauen und entwickeln Produkte für 50 Länder und können diese bisher selbst nicht ausprobieren. Das wird sich ändern", sagt Östberg. Die Zentrale von Delivery Hero liegt in Berlin-Mitte. Danach soll das Angebot schrittweise deutschlandweit ausgeweitet werden, zunächst in anderen Großstädten wie München oder Frankfurt. Über die Höhe der Investitionen wurden keine Angaben gemacht, es dürften aber bald viele Kuriere unter der Marke Foodpanda unterwegs sein.

Das Ziel lautet: Mittelfristig die Nummer Eins zu werden

Östberg hat große Ziele: "Wir kommen sicher nicht nach Deutschland zurück, um hier langfristig nur die Nummer zwei oder drei zu sein. Wir haben große Ambitionen, auch wenn das vielleicht zehn Jahre dauern wird", sagt er. Erst im September hatte der Firmenchef noch beteuert, es gebe keine Pläne für eine Rückkehr nach Deutschland. "Wir müssten das Gefühl haben, dass unser Angebot und die Chancen in Deutschland viel besser als irgendwo anders sind. Das ist derzeit nicht der Fall", sagte er damals der SZ. Nun hat sich die Lage offenbar geändert. Der Rückzug aus Deutschland, der Ende 2018 verkündet wurde, sei aber trotzdem kein Fehler gewesen. Der Milliardenerlös sei in den Ausbau der Asiengeschäfte gesteckt worden, die heute erfolgreich sind und mehr als 50 Prozent des gesamten Umsatzes ausmachen.

Delivery Hero wurde 2011 gegründet und macht seitdem Verluste. 2021 soll sich der Umsatz auf 6,1 bis 6,6 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Erst Anfang März wurde die Übernahme des südkoreanischen Lieferdienstes Woowa abgeschlossen. In wichtigen Märkten in Asien und Arabien ist Delivery Hero bereits führend. Jetzt soll in den Ausbau eigener Lagerhäuser für zusätzliche Waren wie Lebensmittel oder Medikamente sowie in die Expansion in Japan, Vietnam und nun auch Deutschland investiert werden. Im vergangenen Jahr war das Unternehmen nach der Insolvenz des Zahlungsabwicklers Wirecard in den Dax-30 gerückt. Die Aktie gab am Mittwoch nach der Meldung zunächst ab, an der Börse ist Delivery Hero insgesamt rund 27 Milliarden Euro wert.

Sorgen, dass mit dem Abflauen der Pandemie und dem Wiedereröffnen der Gastronomie das Liefergeschäft wieder einbrechen werde, hat Östberg nicht. "Die Kunden, die neu zu uns gekommen sind, werden weiter bestellen, sie haben gemerkt, wie gut es ist, manchmal nicht zu kochen, sondern sich etwas zu bestellen", betonte er. Es gebe eine "neue Normalität". Die Wachstumsraten würden möglicherweise etwas abnehmen nach dem Ende der Lockdown-Maßnahmen. "Wir sind auch vor der Pandemie schon sehr stark gewachsen", sagt Östberg. Das große Wachstum für das Unternehmen käme ohnehin aus Asien und dem Mittlerer Osten, dort legt das Geschäft weiter sehr deutlich zu. Das Unternehmen ist in rund 50 Ländern aktiv. Derzeit wickelt Delivery Hero weltweit ungefähr hundert Bestellungen ab - in der Sekunde.

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