Süddeutsche Zeitung

Lebensversicherung:Wenn die Altersvorsorge aus London kommt

Lesezeit: 3 min

Von Herbert Fromme, Köln

Der Verkauf des Lebensversicherers Generali Leben an eine Tochtergesellschaft des britischen Investors Cinven ist perfekt. Die Finanzaufsicht Bafin teilte mit, sie habe keine Einwände gegen das Geschäft. Damit haben rund vier Millionen Kunden künftig ein britisches Private-Equity-Unternehmen als Geschäftspartner für ihre Altersvorsorge, ihre Berufsunfähigkeits- oder Risikolebensversicherungen - und nicht mehr wie bislang den italienischen Versicherer.

Seit vergangenem Jahr wirbt die Generali Leben nicht mehr um neue Kunden, sondern verwaltet nur noch die Bestände, so lange bis alle Kunden ihre Leistungen erhalten oder, wenn sie Privatrenten beziehen, gestorben sind. Künftig wird die Gesellschaft vom Abwicklungsspezialisten Viridium in Neu-Isenburg kontrolliert, der zu 80 Prozent Cinven gehört und zu 20 Prozent der Hannover Rück.

Verkäufe von Versicherern müssen nicht von der Bafin genehmigt werden. Allerdings prüft sie, ob die Interessen der Versicherten ausreichend gewahrt sind. "Nach intensiver Prüfung ist die Bafin zu der Auffassung gelangt, dass keine Untersagungsgründe vorliegen", teilte sie mit. Neun Monate hat der gesamte Prozess gedauert. Das deutet darauf hin, dass sich die Bafin den Deal sehr genau angesehen hat.

In Branchenkreisen heißt es, die Aufsichthabe an verschiedenen Stellen Nachbesserungen verlangt, bei denen es vor allem um die finanzielle Ausstattung der Generali Leben ging. Sie will damit sicherstellen, dass die Gesellschaft auch unter dem neuen Eigner alle Kundenansprüche erfüllen kann.

Der frühere Grünen-Abgeordnete Gerhard Schick, der jetzt Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende ist, kritisierte das Geschäft dennoch heftig: "Die Generali lässt ihre Kunden im Regen stehen." Es sei sehr fraglich, ob eine Abwicklungsplattform wie Viridium eine ebensolche Stabilität aufweisen kann wie der Generali-Konzern. Andere Verbraucherschützer sehen das entspannter. "Es muss für Verbraucher kein schlechter Deal sein, von jemandem wegzukommen, der ohnehin keinen Bock mehr auf ihn hat, und hin zu jemandem, der richtig Bock auf den Kunden hat", sagte Lars Gatschke, Versicherungsexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, schon beim Abschluss des Geschäfts. Gatschkes Rat an alle Kunden: Sie sollten die Werte ihrer letzten Standmitteilung der Generali Leben mit der ersten Mitteilung vergleichen, die sie nach Vollzug des Übergangs erhalten.

Generali und Viridium wissen, dass ihr Geschäft umstritten ist - und haben versucht vorzusorgen. Der Generali-Konzern bleibt mit 10,1 Prozent an der Generali Leben beteiligt. Außerdem übernimmt der italienische Versicherer zehn Prozent an Viridium. Dadurch habe man unmittelbaren Zugriff auf die Geschäftsprozesse und könne sicherstellen, dass die Interessen der Kunden gewahrt bleiben, argumentiert Deutschlandchef Giovanni Liverani.

Einst gaben die Lebensversicherer hohe Garantien, heute leide sie darunter

Das Geschäft ist Ausdruck eines großen Problems, unter dem die deutschen Lebensversicherer leiden: Sie haben ihren Kunden in der Vergangenheit Zinsgarantien von bis zu vier Prozent gegeben. Das erschien Ende der Neunzigerjahre wenig. Die Garantien gelten aber immer noch - und sind immer schwerer zu erfüllen. Viele Gesellschaften haben ihr Neugeschäft daher umgestellt und verkaufen heute Verträge, bei denen die Kunden den größten Teil des Investitionsrisikos tragen, etwa fondsgebundene Policen.

Aber die Altverträge belasten, weil die Gesellschaften sie mit viel Kapital unterlegen und hohe Kosten tragen müssen. Gewinne machen die meisten Konzerne mit dem Altbestand kaum. Liverani glaubt, dass er mit dem Viridium-Deal eine "Blaupause für andere Gesellschaften" entworfen und damit dem gesamten deutschen Markt einen Dienst erwiesen hat. Wer die Altbestände intern abwickeln wolle, werde schnell Probleme bekommen, weil die sinkende Kundenzahl zu steigenden Kosten führt. "Wir wollen dagegen die Kosten deutlich senken." Weil Unternehmen wie Viridium viele Bestände übernehmen und mit einer IT verwalten, könnten die Kosten sogar deutlich sinken.

Der Verkauf der Generali Leben ist die bislang größte Aktion dieser Art in Deutschland. Bislang haben die Abwicklungsspezialisten kleinere Gesellschaften wie die Arag Leben, Pensionskassen oder einzelne Versicherungsbestände übernommen. Bei internationalen Investoren haben die deutschen Policen einen guten Ruf: Neben Viridium sind auch die Frankfurter Leben als Teil des chinesischen Fosun-Konzerns und die Wiesbadener Athora in diesem Geschäft aktiv. Sie hat enge Kontakte zur US-Anlegergruppe Athene.

Bald wird es eine neue Generali Leben auf dem Markt geben

Für Generali, den in Deutschland zweitgrößten Privatkunden-Versicherer, ist der Verkauf jedenfalls lohnend. Für die 89,9 Prozent erhält der Konzern 899 Millionen Euro. Und weil Generali das Altgeschäft los wird, verringert sich der Kapitalbedarf um zwei Milliarden Euro.

Und selbst auf den Namen Generali Leben müssen die Italiener nicht verzichten. Noch in diesem Monat wollen Käufer und Verkäufer das Geschäft abschließen. Kurz danach wird Viridium die alte Generali Leben umbenennen - der neue Name ist allerdings noch nicht bekannt. Nach einer kurzen Schamfrist wird die Generali dann ihren anderen Lebensversicherer, die Aachen Münchener, in Generali Leben umbenennen.

In den Vorstandsetagen deutscher Versicherer dürfte der Deal für Aufmerksamkeit sorgen. In den vergangenen Monaten hatten zahlreiche Vorstandsmitglieder solche Lösungen für ihre eigenen Konzerne ausgeschlossen. Sie fürchteten um das Ansehen bei den Kunden und hofften auf eine baldige Zinswende. Möglicherweise aber waren die stolzen Ansagen, man werde nie verkaufen, etwas voreilig. Denn erstens hat sich bei der Generali der Ansehensverlust, den die Kritiker vorhersagten, nicht eingestellt. Und zweitens werden die Zinsen wohl noch länger so niedrig bleiben, wie sie heute sind.

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Quelle:
SZ vom 10.04.2019
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