Süddeutsche Zeitung

Private Altersvorsorge:Anders als Riester, aber auch teuer

Lesezeit: 3 min

Die Versicherer erklären ihr Modell einer Bürgerrente, das das derzeitige Angebot ablösen soll. Ein Kernproblem ist aber offenbar ungeklärt.

Von Anne-Christin Gröger, Köln

Nachhaltig, verständlich und unbürokratisch, renditestark und trotzdem sicher, so preisen die deutschen Versicherer ihr neues Konzept zur Altersvorsorge an. Und wäre alles so einfach, es wäre die Lösung der heiß diskutierten Frage, wie in Deutschland zukünftig die private Altersvorsorge aussehen soll. Die Bundesregierung hingegen denkt über einen öffentlich verantworteten Fonds nach, bei dem die Versicherer keine Rolle mehr spielen würden.

Der Gesamtverband der deutschen Versicherer (GDV) schlägt vor, eine sogenannte Bürgerrente für alle einzuführen. Sie soll günstiger und gleichzeitig renditestärker als die vielfach kritisierte Riester-Rente werden. Die SZ hatte über das Konzept bereits berichtet, nun hat sich der Verband erstmals detaillierter zu seinem Vorschlag geäußert.

Verbandspräsident Norbert Rollinger sagte auf der Jahrespressekonferenz: "Wir sind immer noch der Meinung, dass die Riester-Rente reformierbar ist, aber wir haben auch das Angebot für einen Neustart im Gepäck, die Bürgerrente."

Bei dem Modell handelt es sich um eine Art abgespeckte Version der Riester-Rente. Anders als ihr Vorgänger richtet sie sich nicht nur an Angestellte. Auch Beamte, Selbständige und Arbeitslose sollen über das Konzept vorsorgen können. "Es gibt keine Systembrüche mehr bei abwechslungsreichen Biografien", sagte Rollinger, im Hauptberuf Chef des Wiesbadener Versicherers R+V. Mit dem Angebot will der Verband gerade Gering- und Mittelverdiener ansprechen, die wenig Steuern zahlen.

Für jeden Euro 50 Cent obendrauf

Die Bürgerrente soll, ähnlich wie die Riester-Rente, staatlich gefördert, allerdings weniger komplex organisiert werden. Das soll über eine Vereinfachung des Zulagensystems passieren. "Für jeden Euro, den der Bürger anlegt, bekommt er 50 Cent vom Staat obendrauf", sagte Rollinger. Der Betrag soll auf vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung gedeckelt sein, die derzeit bei 7300 Euro im Monat in den alten und 7100 Euro im Monat in den neuen Bundesländern. "Der geförderte Höchstbetrag liegt also derzeit bei knapp 300 Euro", so der Verbandspräsident. Dazu käme der Zuschuss von 146 Euro.

Die Einzahlungen sollen steuerfrei sein, bei der Auszahlung werden die Leistungen besteuert. Die Option auf eine Teilauszahlung zu Rentenbeginn könnte Flexibilität ermöglichen. Grundsätzlich soll die angesparte Rente aber lebenslang ausgezahlt werden können. Damit könne Altersarmut verhindert werden, glaubt der GDV.

Allerdings scheut der Verband den Konflikt mit den eigenen Vertretern, den Banken und Großvertrieben wie DVAG. Die hohen Kosten will er nicht angehen. Auch die Bürgerrente soll ein wenig online verkauft werden, aber vor allem über Vertreter und Makler gegen entsprechend hohe Provisionen. Jährlich zahlen deutsche Lebensversicherer etwa acht Milliarden Euro für Abschlusskosten in der Lebensversicherung aus. Die holen sie sich von ihren Kundinnen und Kunden zurück, was zulasten der Rendite geht.

Die Kosten wollen die Versicherer allein durch die Standardisierung des neuen Modells senken. "Die Standardisierung spart Aufwand und Beratung der Verträge, das ist effizient", glaubt Rollinger. Das neue Verfahren sei so einfach, dass die Versicherer die Verträge sehr viel kostengünstiger anbieten könnten.

Gut für die Versicherer, nicht aber für Kunden?

Das sieht die Bürgerbewegung Finanzwende anders. "Mit der GDV-Rente liefern die Versicherer eine Lösung für sich, aber nicht für die Bürger", sagte Britta Langenberg, Vorsorgeexpertin des Vereins. "Das Kernproblem der Kunden - die viel zu hohen Kosten - wird nicht wirklich angegangen. Hier haben die Versicherer ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Stattdessen wollen sie künftig noch mehr Steuergeld in die eigenen Kassen lenken."

2022 war kein einfaches Jahr für die Versicherer, geprägt war es durch Krieg in der Ukraine, steigende Preise, wachsende Inflation und größere Zukunftssorgen der Menschen. Über alle Sparten hinweg gingen die Beitragseinnahmen um 0,7 Prozent auf 224 Milliarden Euro zurück. Grund war die Lebensversicherung, in der die Beiträge um sechs Prozent auf 97,1 Milliarden Euro fielen. Rollinger dazu: "Zum einen bringt die Normalisierung des Zinsniveaus für die Kundinnen und Kunden wieder mehr Anlagealternativen ins Spiel. Zum anderen führen die gestiegenen Lebenshaltungskosten dazu, dass viele Menschen weniger Geld für die private Altersvorsorge zurücklegen."

Für 2023 erwarten die Versicherer ein Wachstum von etwa drei Prozent. In der Lebensversicherung werde es bei etwa null bleiben, in der Sachversicherung hofft der GDV auf ein Wachstum von sechs Prozent. Davon entfällt ein großer Teil auf höhere Preise, mit denen die Versicherer auf die Inflation reagieren.

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