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Krugman auf Konfrontationskurs:Eitel und schüchtern

Lesezeit: 2 min

Kaum jemand ersehnte den Wechsel im Weißen Haus mehr als Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman. Doch nun stellt er sich gegen die Wirtschaftspolitik von Präsident Obama.

N. Piper

Paul Krugman hat den Wechsel im Weißen Haus herbeigesehnt und -geschrieben. In seinem Blog und seiner der zweimal wöchentlich erscheinenden Kolumne in der New York Times bekämpfte der Ökonom George Bush, den Irak-Krieg und die Wirtschaftspolitik der damaligen Präsidenten.

Nun ist der Wechsel da - und Krugman, 56, befindet sich schon wieder in der Opposition. Der Wirtschaftsnobelpreisträger stellte sich in aller Form gegen den Wirtschaftskurs von Präsident Barack Obama.

Es begann damit, dass er Obamas Konjunkturpaket von fast 800 Milliarden Dollar für unzureichend hielt. Dann legte er sich mehr und mehr mit Finanzminister Timothy Geithner an.

"Gefühl der Verzweiflung"

Am Montag voriger Woche nahm Krugman das Rettungspaket für die Banken auseinander. Der Entwurf sei nicht nur enttäuschend, er erfülle ihn mit einem "Gefühl der Verzweiflung", schrieb er. "Es ist als sei der Präsident entschlossen, den Eindruck zu bestätigen, dass er und sein Wirtschaftsteam den Bezug zur Realität verloren haben, dass deren ökonomische Vision von den übermäßig engen Bindungen zur Wall Street getrübt wird.

Wenn Obama erst einmal bemerkt, dass er seinen Kurs ändern muss, könnte er sein politisches Kapital verspielt haben."

Die Worte waren mit Bedacht gewählt. Die Formulierung "den Bezug zur Realität verloren haben" ("to be out of touch") spielt auf einen kritischen Augenblick während des Wahlkampfs an.

Im vergangenen April hatte Obama bei einem Dinner in San Francisco gesagt, Amerikas Arbeiter würden wegen der andauernden Jobverluste "bitter", sie klammerten sich an Religion und Waffen und seien empfänglich für Ressentiments gegen Einwanderer und den Welthandel. Das löste einen Proteststurm aus, und Obamas damalige Konkurrentin Hillary Clinton geißelte die Bemerkungen als "elitär" und "out of touch".

Für komplette Verstaatlichung

Krugman bekämpft besonders Geithners Plan, halb staatliche, halb private Investmentfonds zu gründen, die den Finanzinstituten ihre faulen Kredite abkaufen sollen. Dies sei ein ungerechtfertigtes Geschenk der Steuerzahler an die Banken und werde nicht funktionieren. Krugman plädiert für eine komplette Verstaatlichung und Reprivatisierung der gescheiterten Banken.

Zu Krugmans Meinung gibt es eine Gegenposition: Die gefährlichsten Institute, AIG und Citigroup, stehen de facto schon jetzt unter Staatskontrolle, eine Verstaatlichung großer Banken wäre für die Steuerzahler noch viel teurer als Geithners Plan.

Außerdem ist Krugman zwar ein begnadeter Makroökonom und Handelstheoretiker, aber nicht unbedingt Finanzmarktexperte. Doch darauf kommt es gar nicht an. Krugman spricht mit seiner Kritik die Wut vieler Amerikaner auf die Wall Street an und das Unbehagen darüber, dass Obamas Wirtschaftsteam der Finanzwelt so eng verbunden ist.

Mögliche persönliche Hintergründe

Seit bekannt wurde, dass AIG aus dem Geld der Steuerzahler Boni gezahlt hat, ist die Unterstützung in der Öffentlichkeit für weitere Bankensubventionen praktisch auf null gesunken.

Spekulieren kann man aber auch über persönliche Hintergründe der Fehde. Im Magazin Newsweek klagte Krugman, der Präsident habe ihn noch nicht um Rat gefragt: "Ich habe Obama noch nie getroffen, er hat sogar meinen Namen falsch ausgesprochen." (Obama hatte bei einer Pressekonferenz "Krackmän" statt "Krugmän" gesagt).

Außerdem kennt Krugman Obamas Wirtschaftsberater Larry Summers schon lange. Beide berieten in den achtziger Jahren Ronald Reagan. Krugman ist eitel und schüchtern, Summers eitel und schlecht erzogen. So etwas begründet nicht unbedingt eine Freundschaft.

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SZ vom 03.04.2009/pak
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