Süddeutsche Zeitung

Konjunktur:Sparen ist gut, aber nicht alles

Lesezeit: 3 min

Wer nur spart und kürzt, tötet Dynamik - und nur wer investiert, wird es kraftvoll aus dem Tal schaffen. Die derzeitige, einseitige Debatte in Deutschland schadet dem Aufschwung.

Marc Beise

Sparen. Nur noch: Sparen. Von nichts anderem mehr ist in der öffentlichen Debatte in Deutschland die Rede. Auch die großen Wirtschaftsinstitute haben in ihrem Frühjahrsgutachten diesen Ton angeschlagen. Die Konjunkturforscher plädieren für einen "Sparkurs, wie es ihn noch nicht gegeben hat". Viele Ökonomen sind ohnehin dieser Meinung, und auch in den Medien ist es chic geworden, Etat-Konsolidierung zur Mutter aller weiteren Überlegungen zu erklären. In Talkshows grenzen sich selbsternannte "verantwortungsbewusste" Sparpolitiker von "populistischen" Ausgabenpolitikern ab. Populistisch? Dem Volk nach dem Mund reden eher die Sparer; auch in der Bevölkerung hat ausweislich neuerer Umfragen die Haushaltskonsolidierung Priorität. Das Thema ist so omnipräsent wie plausibel. Auf den ersten Blick.

Ja, es hat sich ein gigantischer Schuldenberg von mittlerweile rund 1,7 Billionen Euro angehäuft, jede Sekunde kommen weitere 4500 Euro pro Person hinzu. Ganz zu schweigen von weiteren mehreren Billionen Euro, die als künftige Forderungen in den Beamtenversorgungs- und Sozialversicherungssystemen versteckt sind. All dies hervorgerufen durch jahrzehntelange laxe Haushaltpolitik, zuletzt befeuert durch die Kosten zur Bewältigung der Finanzkrise.

Bewältigung? An den Immobilienmärkten tun sich neue Risiken auf, und die Bankenbilanzen bergen noch Zeitbomben. Konkrete Hilfe für Griechenland wird wahrscheinlicher, nach jetzigem Stand könnte Deutschland mit acht Milliarden Euro oder mehr dabei sein. Es scheint so, als ginge es nicht anders, als so bald und so intensiv wie möglich mit dem Abbau der Schulden zu beginnen.

Die Versuchung ist groß, angesichts diese Verschiebung des politischen Koordinatensystems zu frohlocken, lange genug wurde über den Politikerreflex geklagt, lieber Geld auszugeben und die potentiellen Wähler zu erfreuen, als zu sparen und alle zu verschrecken. Die Absolutheit aber, mit der sich Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit fürs Sparen, Kürzen, Knausern begeistern, macht Angst. Schon hört man - nächste Eskalationsstufe - der Ruf nach höheren Steuern; "es geht ja nicht anders". Dann endgültig wird es ernst.

Die psychologische Wirkung von Wirtschaftspolitik ist bekannt. Wer nur spart und kürzt, tötet Dynamik. Das erlebt man in der Wirtschaft vieltausendfach. Jene Firmen, denen in der Krise nur das Streichen von Stellen und Verringern von Kosten einfällt, kommen nicht weit. Nur wer gleichzeitig auch investiert und projektiert, wird es kraftvoll aus dem Tal schaffen. Der deutsche Schuldenberg ist so gigantisch und die Lage so ernst, dass Sparen allein nicht reichen wird, das Blatt zu wenden. Wachstum aber erfordert die richtigen Rahmenbedingungen. Dass die öffentliche Debatte dies fast völlig ignoriert, ist brisant.

Spar-Fanatiker machen es sich einfach. "Alles oder nichts"-Positionen sind immer am leichtesten zu begründen. Politik, auch Finanzpolitik in schwierigen Zeiten, muss mehr sein, als immer Nein zu sagen. Sie muss eine Richtung vorgeben, gestalten. Der Weg in die Zukunft kann unterschiedlich strukturierte Etappen haben, aber es braucht einen Gesamtplan. Insofern war es richtig, dass die neue Bundesregierung 2010 zunächst noch Geld ausgegeben hat, um die beginnende wirtschaftliche Erholung nicht abzuwürgen. Jetzt allerdings erklären die Politiker besonders der Union, und die FDP gibt klein bei, dass der Aufschwung ja intakt sei, man nun also mit dem großen Sparen beginnen könne. Das ist womöglich vorschnell. Darüber hinaus ist es auch keine Strategie für die Zukunft. Wer nicht spart, treibt den Staat in die Handlungsunfähigkeit; Griechenland lässt grüßen. Wer nur spart, erreicht das gleiche. Was ist zu tun?

Eine Ankurbelung des Konsums über höhere Löhne, wie sie teilweise in Gewerkschaftskreisen gefordert wird, würde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen in der Welt schwächen. Richtig wäre es, die Rahmenbedingungen für das Wirtschaften zu verbessern. Zum Beispiel im Steuerrecht. Dabei geht es perspektivisch um ein einfacheres, transparenteres Steuerrecht mit niedrigeren Sätzen, auch die Senkung der ungerechten und vielfach zu hohen Steuerbelastung. Über die Höhe der Entlastung hat man streiten können; vor allem galt es, ein Zeichen zu setzen, dass die Politik die Garantiefunktion der Mittelschicht für Demokratie und Wohlstand anerkennt. Doch diese Diskussion ist tot, allgemein heißt es, dass Steuersenkungen nicht mehr in die Zeit passen.

An dieser Entwicklung trägt vor allem die FDP Schuld. Sie hat mit Steuersenkungs- und Ausgabenkürzungsversprechen die Bundestagswahl gewonnen und dann ihre Wähler verraten. Hat wichtige Steuerreform-Milliarden vorab verschenkt, beispielsweise an Hoteliers. Ist bei ihren Sparvorstellungen unglaubwürdig, weil sie einiges kassiert hat, als es um das Ergattern von Pfründen ging. Hat keinen Steuerpolitiker von Gewicht in wichtiger Position, und ihre Menschen in wichtiger Position haben von Steuern und Finanzen wenig Ahnung.

In der ganzen Koalition ist kaum jemand zu finden, der über Rahmenbedingungen für mehr Wachstum wenigstens noch diskutieren mag. Dabei geht es um verbesserte Investitionsbedingung, das Durchforsten der Bürokratie, die Flexibilisierung am Arbeitsmarkt im Interesse neuer Jobs. Wer diese Themen zu Ladenhütern erklärt, verhindert das Wachstum, ohne das die Schulden niemals weichen werden.

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Quelle:
SZ vom 17./18.04.2010
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