Frühjahrsgutachten zur Konjunktur:Blut, Schweiß - und ein kleiner Lichtblick

So schnell kommt die Regierung von ihren Schulden nicht herunter. Immerhin dürfte die befürchtete Krise am Arbeitsmarkt ausbleiben.

C. Hulverscheidt und T. Öchsner

Die tiefste Rezession der Nachkriegsgeschichte wird den deutschen Arbeitsmarkt offenbar weit weniger hart treffen als bisher befürchtet. Das geht aus dem Frühjahrsgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute hervor, das an diesem Donnerstag veröffentlicht wird. Demnach rechnen die Experten für das laufende Jahr mit einem Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Leistung um 1,5 Prozent. Steuersenkungen lehnen sie jedoch ab.

Bisher galt es als ökonomische Grundregel, dass der Arbeitsmarkt die Konjunkturentwicklung stets mit deutlicher Verzögerung nachvollzieht. Deshalb hatten die Institute noch im Herbst für 2010 einen Anstieg der Erwerbslosenzahl auf 4,1 Millionen vorhergesagt. In ihrem neuen Gutachten, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, rechnen sie jetzt nur noch mit einem Durchschnittswert von knapp 3,4 Millionen Jobsuchenden.

"Gehortete" Arbeitnehmer

Gegenüber 2009 wäre das sogar ein leichter Rückgang. Zur Begründung heißt es in dem Bericht, viele Firmen "horteten" derzeit Arbeitnehmer, weil sie fürchteten, einmal entlassene Fachkräfte im Aufschwung nicht wieder zu bekommen. Dadurch seien die Lohnstückkosten aber mittlerweile so stark gestiegen, dass die Reserven der Betriebe immer kleiner würden

Zu der "unerwartet günstigen Entwicklung" auf dem Arbeitsmarkt hat laut Gutachten auch die generöse Kurzarbeiter-Regelung der Bundesregierung beigetragen.

Anders als in früheren Krisen zahlt die Bundesagentur für Arbeit derzeit neben dem Kurzarbeitergeld vom siebten Monat an auch die Sozialbeiträge in voller Höhe, was die Firmen erheblich entlastet.

Nach einem am Mittwoch bekanntgewordenen Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums soll die Ausnahmeregelung nun noch einmal bis Mitte 2012 verlängert werden. Aus der FDP verlautete allerdings, es gebe noch erheblichen Gesprächsbedarf zu der Frage. "Berichte, wir seien uns mit der Union bereits einig, sind eindeutig verfrüht", hieß es.

Langer und strenger Winter

Nach Einschätzung der Forschungsinstitute ist das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal dieses Jahres wegen des langen und strengen Winters nochmals leicht geschrumpft. Schon im Frühjahr aber werde die Konjunktur wieder deutlich anziehen, heißt es in dem Gutachten.

Dazu trügen sowohl der Export als auch eine steigende Inlandsnachfrage bei. Mit 1,5 Prozent in diesem, 1,4 Prozent im nächsten und ähnlichen Werten in den Folgejahren werde die Wirtschaft allerdings nur verhalten wachsen. Das ist für die Bundesregierung eine ausgesprochen schlechte Nachricht - denn ihre ohnehin komplizierte Haushaltsplanung basiert auf einer jährlichen Wachstumsannahme von zwei Prozent.

Vor diesem Hintergrund halten die Institute die von Union und FDP geplanten Steuererleichterungen für unbezahlbar: "Natürlich ist es bei Staatsausgaben von knapp 1200 Milliarden Euro nicht unmöglich, Steuersenkungen in Höhe von 16 Milliarden Euro zu finanzieren. Allerdings ist das Ziel der Haushaltskonsolidierung ohnehin schon schwer zu erreichen; daher ist es unrealistisch, derzeit Steuersenkungen zu erwägen", so die Forscher. Stattdessen müsse gespart werden "wie noch nie".

Schuldenprobleme Griechenlands

Konjunkturelle Gefahren gehen nach Ansicht der Ökonomen vom weiterhin labilen weltwirtschaftlichen Umfeld sowie den Schuldenproblemen Griechenlands und anderer Euro-Staaten aus.

Das jetzt vereinbarte Hilfspaket für Athen sei deshalb grundsätzlich richtig. Die Gefahr einer Inflation sehen die Experten im Gegensatz zu einigen anderen Volkswirten dagegen nicht. An dem Gutachten mitgewirkt haben das Münchener Ifo-Institut, das Kieler Institut für Weltwirtschaft, das Institut für Wirtschaftsforschung Halle, das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung sowie vier Kooperationspartner.

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