Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Gefährliche Helfer

Lesezeit: 3 min

Er kifft und trinkt in der Öffentlichkeit. Milliardär Elon Musk ruiniert sich selbst. Er ist aber nur ein Beispiel für den Druck, den Manager haben.

Kommentar von Thomas Fromm

Natürlich ist einer wie Elon Musk die perfekte Projektionsfläche für Marihuana und harte Drinks. Einer, der auf Twitter mal so ganz en passant verkündet, dass er seinen Elektroautobauer Tesla von der Börse nehmen könnte und seine Aktien damit auf tagelange Achterbahnfahrt schickt, der im Interview von 120-Stunden-Wochen und von den Vorzügen des Schlafmittels Ambien erzählt, ist in der öffentlichen Wahrnehmung irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn angesiedelt. Nun saß der Mann, der Raketen zum Mars schicken und unterirdische Tunnelröhren bauen will, in einem Youtube-Video, sprach über künstliche Intelligenz und die Besiedlung des Weltalls, nippte an einem Whiskeyglas, befand, dass "Liebe die Antwort" ist - und zog mit leicht verzogenem Stoner-Blick an einem Joint.

Dass der exzentrische Elektroautopionier seinen Rivalen von BMW, Audi und Co. ziemlich weit voraus ist, ist nicht neu. Dass er aber schon so weit weggedriftet ist, hat die Menschen dann doch fassungslos zurückgelassen. Dass er zum Zeitpunkt des Inhalierens in einem Studio in Kalifornien saß, wo der Stoff legal ist, dass er klar machte, das Zeug nicht regelmäßig zu rauchen - es nützte alles nichts. Ausgerechnet der Auftritt im Haschisch-Nebel könnte das Ende des Elon Musk einläuten. Wenn man so will, der späte Triumph des Wahnsinns über das Genie.

Man wird vielleicht nie erfahren, was Musk hier geritten hat. War er ganz er selbst? Oder hat er die Rolle seines Lebens gespielt - die des Elon Musk? War es ein PR- und Marketing-Ding? Ist dem Vater von Zwillingen und Drillingen nicht klar, dass er für viele, junge Menschen eine Vorbildfunktion hat und durch seinen Auftritt zum Saufen und Kiffen animiert?

Auch wenn ein Joint plakativer ist als eine Pille: Nicht nur Musks Joint-Züge müssen diskutiert werden, sondern das, was er sonst noch so einwirft - zum Beispiel Ambien, das Betthupferl der Stars, der Manager und der sonst wie Gestressten. Kleine pinke Pillen, von denen Experten sagen, dass sie abhängig machen können und schwere Nebenwirkungen hätten. Insofern wäre dies das Verdienst des großen Exzentrikers und radikalen Industrie-Outsiders Musk: Er hat, indem er sich kiffend ins Studio gesetzt hat, das Thema auf die Tagesordnung gesetzt - stellvertretend für die weniger Auffälligen, die im Hintergrund sitzen und da ihre Pillen einwerfen. Denn Elon Musk ist keine Ausnahme. Was ihn zur Ausnahmeperson macht, ist, dass er über Schlaftabletten redet und vor Publikum kifft.

Durchhalten, wach bleiben, auch nach stundenlangem Interkontinentalflug

Der Leistungsdruck der Managerelite steigt von Jahr zu Jahr, in Zeiten digitaler Kommunikation und digitalen Führens haben Arbeitstage mitunter 24 Stunden - sieben Tage die Woche. Ständig erreichbar sein, morgens zügig draufkommen, abends möglichst schnell wieder runterkommen, dazwischen perfekt funktionieren, bei Meetings, in einem Flugzeug irgendwo zwischen Europa, den USA und Asien - meistens geht es dann nicht um einen Joint oder Kokain, sondern Amphetamine, Psychopharmaka und das, was sie in der Szene "Hirndoping-Mittel" nennen: Durchhalten, wach bleiben, auch nach stundenlangem Interkontinentalflug noch eloquent sein - die Investoren schlafen ja auch nicht, die Märkte wollen Antworten, und die Aktie kann heute genauso schnell wieder sinken, wie sie gestern gestiegen ist.

Nachdem Musk vor einiger Zeit twitterte, er spiele mit dem Gedanken, Tesla von der Börse zu nehmen, da fiel bei vielen der Verdacht auf die kleinen bunten Pillen. Hatte der Milliardär am Abend zuvor etwas zu viel davon geschluckt und war zum Zeitpunkt des Tweets einfach noch nicht so richtig in Form? Seine Schlafmittel, sagt er, würden ihm helfen, die harten Arbeitstage (und die Nächte danach) zu überstehen. Die Kehrseite ist: Die kleinen Helfer machen aus ihren Konsumenten häufig schwer kalkulierbare Zeitgenossen.

Am Beispiel des Elon Musk zeigt sich die ganze Tragik: Der Manager und Autovisionär, der vor Jahren loszog, die Welt der Mobilität neu zu sortieren, droht gerade nicht nur sich selbst zu ruinieren. Auch das Unternehmen, das er geschaffen hat, ist in Gefahr - weil sein Chef zu viel arbeitet und seinen Körper dabei malträtiert. Die anderen sollten sich genau anschauen, wie er das gerade macht - und dann einen anderen Weg gehen. Er beginnt damit, dass man sein Image nicht darauf aufbaut, 120 Stunden die Woche zu arbeiten.

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Quelle:
SZ vom 11.09.2018
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