Süddeutsche Zeitung

Protest:Wie der Kapitalismus die Klimabewegung kapert

Lesezeit: 2 min

Von Lea Hampel

Die Demonstrationen vom vergangenen Freitag, sie hätten der wichtigste Beweis dafür sein können, dass hier gerade etwas Großes passiert. Millionen Menschen waren weltweit mit "Fridays for Future" auf der Straße. Eine Liga sei das mit den Atomprotesten und den Demos gegen das Waldsterben in den 1980-er Jahren, unkte so mancher, der schon damals dabei war. Dass Klimaprotest mittlerweile Kult ist, zeigt sich inzwischen aber auch an ganz anderer Stelle. Dort, wo Angebot und Nachfrage direkt aufeinander stoßen. Denn jener Kapitalismus, den zumindest Teile der Bewegung ablehnen, vereinnahmt "Fridays for Future" gerade in ziemlich rasanter Geschwindigkeit für seine Zwecke. Man könnte auch sagen: Was in ist, verkauft sich gut, und wenn Kapitalismuskritik Kult wird, verkauft man eben die.

Auf Ebay erhält man deshalb unzählige Produkte mit den Insignien der Bewegung, etwa T-Shirts, auf denen nur "Fridays for Future" steht, dazu zwei gereckte Daumen. Die Stichworte in der Artikelbeschreibung: T-Shirt, Kult, Mottoshirt. Dazu, zur Sicherheit in Großbuchstaben: DEMO, UMWELT. 11,99 Euro. Darunter der Button mit dem Original-Logo der Aktivisten, für drei Euro. Hartnäckige, die etwas weiter klicken, werden auch Greta Thunbergs Gesicht nicht nur als Leinwandbild fürs Wohnzimmer finden, sondern auch auf Tassen, Wanduhren und kuschligen Fleecedecken.

Dass das muntere Nebeneinander der Bedürfnisse und ihrer Erfüllung die Kernbotschaft des kapitalistischen Heilsversprechens ist, zeigt sich ebenso deutlich, wenn man "Fridays for Future" in die Suchleiste tippt. Das oberste Angebot auf Ebay ist ein Shirt mit Aufschrift "Fuck you, Greta - Gasoline for Future". Ein weiterer Verkäufer, der den Slogan "Grünkohl statt Braunkohle" auf Stoff druckt, vertreibt gleichzeitig ein "Fuck you Greta"-Shirt. Gesteigert wird das von Grillschürzen, auf denen "Who the fuck is Greta" steht und Aufklebern mit dem Spruch "Mein Beitrag zum Gretel-Theater", anzubringen auf dem Auspuffrohr.

Ein Trost für die jungen Demonstranten: Sie reihen sich damit in eine große Reihe anderer Kapitalismuskritiker ein, die vermutlich so manchen weniger systemkritischen Menschen unfreiwillig reich gemacht haben. Che Guevara ging es nicht anders, es gibt von der Rumflasche übers Autokennzeichen bis zur Handyhülle kaum einen Gegenstand, den sein Konterfei nicht schon geziert hat. Und was Karl Marx dazu gesagt hätte, dass das "Kapital" im illustrierten feinen Leinenband ein Verkaufshit in Asien ist? Nun ja.

Die Klima-Aktivisten warnen sogar vor den Produkten

Tragisch ist: Die Aktivisten haben nichts vom Hype. Sie warnen auf ihrer Website sogar vor den Produkten. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, hat seine Ursachen auch in der basisdemokratischen Ordnung, die sie praktizieren. Logos, Sticker und Plakate kann man auf der Webseite runterladen, als Ortsgruppe - oder eben als Händler. Die Aufforderung "Bitte benutze es nur privat und ausschließlich für nicht-kommerzielle Zwecke!" wird natürlich ignoriert.

Immerhin haben die Aktivisten etwas entgegenzusetzen: ein Armband, aus Biobaumwolle, in Deutschland hergestellt. "Mit diesem kleinen Bändchen aber können wir ein für alle mal klarstellen: alle anderen Produkte sind Fälschungen, Betrug!". So lautet die Hoffnung. 50 Cent des Verkaufspreises gehen an die Organisation, für die Unterstützung der Proteste.

Sollten die wiederum dauerhaft ohne Effekt bleiben, gibt es auch dafür eine Antwort aus der Konsumwelt: Auf Ebay bietet jemand eine Filmsammlung an, mit der man sich einstimmen kann auf den Weltuntergang. Beworben wird sie mit "Fridays for Future! - 16 Apocalyptic Disaster Movies". Kostet 40 Euro, dafür kann man den Film nach Situation wählen. "Tornado" ist dabei, "Fire", "Earthquake". Oder ganz einfach "The Day after Tomorrow".

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Quelle:
SZ vom 27.09.2019
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