Süddeutsche Zeitung

Klaus Franz:Blitz und Donner für "Mister Opel"

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Er war lange mächtiger Betriebsratschef beim Rüsselsheimer Autobauer. Nun aber muss Klaus Franz dem ermittelnden Staatsanwalt einige Sonderzahlungen erklären.

Thomas Fromm und Hans-Jürgen Jakobs

Als er vor einer Woche seinen Rückzug von der Spitze des Opel-Betriebsrats ankündigte, klang alles nach Routine. 59 Jahre ist er alt, da kann auch ein alter Kämpe die Lust verlieren. Dachte man. Er könne "guten Gewissens" gehen, ließ der langjährige Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz wissen, bis dato das gute Gewissen der Opelaner in Rüsselsheim.

Es wirkte so, als hätte der Arbeitnehmervertreter, der sich nach einer Drogistenlehre im schwäbischen Biberach auf der Fotofachschule ausbilden ließ und vor 37 Jahren als Lackierer bei Opel anfing, einfach nur nach dem richtigen Zeitpunkt fürs Ade gesucht. Immerhin macht er seit 30 Jahren Betriebsratspolitik in der Firma mit dem Blitz im Logo und ist eine Art hauseigener Mythos geworden. Die Stunde zum Schlussmachen schien nun - nach langer Sanierung des Autobauers im Reich des amerikanischen Konzerns General Motors - endlich gekommen.

Verfahren gegen Einenkel eingestellt

Seit Montag könnte man den Rückzug des mächtigen Opel-Mannes auch anders deuten. An diesem Tag teilte die Staatsanwaltschaft Darmstadt mit, dass gegen Klaus Franz wegen umstrittener Sonderzahlungen an Betriebsratsmitglieder ermittelt werde. Bis zu 1300 Euro monatlich sollen Franz und zwei weitere Mitglieder des Opel-Betriebsrats für ihre Tätigkeit erhalten haben. "Wir prüfen, ob sich der Anfangsverdacht erhärtet", sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Ein Verfahren gegen den Bochumer Opel-Betriebsratschef Rainer Einenkel wegen Sonderzahlungen hat die Staatsanwaltschaft Bochum inzwischen wieder eingestellt. Die Zahlungen seien ein Verstoß gegen das Gebot, dass Betriebsratsarbeit unentgeltlich sein soll, mahnen Arbeitsrechtler.

Denn: Wo bezahlt würde, bestehe immer auch die Gefahr, dass sich Arbeitgeber ihre Betriebsräte mit Sonderzuwendungen geschmeidig machten. Solche Extras hatten vor einigen Jahren eine große Rolle im Volkswagen-Konzern gespielt: Der seinerzeitige Betriebsratschef Klaus Volkert hatte Boni in stattlicher Höhe kassiert und war daneben mit Sonderservice aller Art bedient worden. Volkert gestand und wurde verurteilt.

Vom Fall VW ist Opel der offiziellen Darstellung nach weit entfernt. Franz wäre nicht Franz, würde er die Zahlungen nicht vehement verteidigen. Es habe sich um pauschale Vergütungen für zusätzlichen Arbeitsaufwand gehandelt, sagt er. Klaus Franz war in den vielen Opel-Krisen im TV zu sehen: Auf Kundgebungen, in Talkshows, ob es um den Verkauf an Magna ging, um Brückenkredite oder Sanierungspläne.

So wurde der Betriebsrat mit der hohen Stirn und dem Schnauzbart zu "Mister Opel" - einer, der immer da war und kämpfte, anders als die jeweiligen Manager. Der einstige Sponti in Frankfurt war ein Beispiel. Einer, der morgens mit schwarzem Tee, einer Scheibe Brot und zwei Tabletten (Vitamin C und Magnesium-Calcium) loslegte und Stairway to heaven von Led Zeppelin als Lieblingssong nannte. Darunter machte er es nicht.

Der Betriebsrat, der über eine Liste der IG Metall ins Amt kam, hat über viele Jahre den Niedergang der früher stolzen Automarke aus Rüsselsheim erlebt. Der Vater zweier Söhne meckerte nicht gegen Nieten in Nadelstreifen, sondern wollte mitgestalten, etwas ändern am Desaster, Opel eine Zukunft geben. Das trieb den stellvertretenden Chef des Aufsichtsrats an. Der Parteilose war für die Grünen im Rüsselsheimer Stadtrat aktiv.

"Manager von unten"

Zum Frust der IG Metall hat er das Ansinnen, in die SPD einzutreten, abwehren können. Franz definierte sich als "Manager von unten". 2005 schloss er eine europaweite Vereinbarung ab, mit der 9000 Jobs abgebaut wurden. Nun wird womöglich ein Vorzeige-Betriebsrat demontiert, der stolz erklärt hat: "Co-Management ist für mich kein Schimpfwort!" Das Verfahren läuft seit Oktober. Er sei sich sicher, "dass sich das Ganze in Wohlgefallen auflösen wird", kommentiert Klaus Franz.

Einen Zusammenhang zwischen Abgang und Ermittlungen gebe es nicht: "Ich habe meine Altersteilzeit bereits im November 2006 vereinbart und stehe seit 2009 im aktiven Teil der Vereinbarung." Er habe sein Ausscheiden erst jüngst bekanntgegeben, um nach außen als handlungsfähiger Vertreter der Arbeitnehmer wahrgenommen zu werden. Lame duck zu sein, das hassen sie alle - Politiker, Manager, Betriebsräte.

Zu seinen weiteren Plänen schweigt der Frührentner. Es soll um Soziales gehen und internationale Zusammenhänge. Der Justizsprecher erklärt, er könne beim besten Willen nicht sagen, wann die Ermittlungen beendet sein werden.

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SZ vom 29.11.2011
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