Süddeutsche Zeitung

Kevin Hassett:Der Doktor an Trumps Seite

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Der US-Präsident und sein Chefökonom könnten unterschiedlicher kaum sein. Trotzdem scheint sich Kevin Hassett im Weißen Haus pudelwohl zu fühlen.

Von Claus Hulverscheidt

Wer vom perfekten Job träumt, sollte einmal bei Kevin Hassett nachfragen: spannende Arbeit, nette Kollegen, reibungslose Abläufe, dazu ein fabelhafter Chef, der lieber abends noch einmal nach Details fragt, als am nächsten Morgen dummes Zeug zu twittern. "Ich gehe wirklich jeden Tag gerne ins Büro", sagt der Mann mit dem freundlich-runden Gesicht und den blitzenden Augen. Hassets Arbeitsplatz? Das Weiße Haus. Sein Chef? Donald Trump.

Was klingt wie ein Sketch aus der Comedy-Sendung "Saturday Night Life", ist völlig ernst gemeint. Seit gut einem Jahr ist Hassett Vorsitzender des 17-köpfigen präsidialen Wirtschaftsrats (CEA) und damit der Chefökonom des Weißen Hauses. Er berät den Präsidenten in allen aktuellen Wirtschaftsfragen, beleuchtet Trends, legt Analysen vor und mischt sich ein, wenn er den Eindruck hat, dass das Vorhaben eines Ministers Wachstum oder Wohlstand beeinträchtigen könnte. Zu seinen Amtsvorgängern gehören Janet Yellen sowie die nicht minder berühmten Herren Alan Greenspan, Ben Bernanke und Joseph Stiglitz.

Dass Hassett vom viel beschriebenen Chaos im Trump'schen Präsidialamt nichts mitbekommen haben will, wirft allerdings die Frage auf, ob er wirklich dabei ist, wenn es ernst wird. Und auch das angeblich so großartige Verhältnis zu seinem Vorgesetzten verwundert, denn beide könnten unterschiedlicher kaum sein: hier der polternde Präsident mit seinem Hang zu nationalistisch-populistischen Ideen; dort der rationale Doktor der Ökonomie, der auch von demokratischen Kollegen wie seinem Vorgänger Jason Furman geschätzt wird, den Klimawandel schon vor Jahrzehnten als Realität anerkannte und als Befürworter staatlicher Lohnzuschüsse gilt, insbesondere des deutschen Kurzarbeitergelds.

Vielleicht ist der Fall Hassett tatsächlich einer, bei dem das Sein das Bewusstsein bestimmt. Mit 56 Jahren hat der Ökonom, der schon für die US-Notenbank, mehrere Finanzminister und ein konservatives Wirtschaftsinstitut arbeitete, ein Alter erreicht, in der mancher Akademiker ins Grübeln gerät, ob er die Welt nicht lieber mit verändern sollte, statt ihr nur wissenschaftliche Papiere zu hinterlassen. So gesehen sind Hassetts jahrzehntelanges Eintreten für den Freihandel und Trumps aggressive Zollpolitik dann keine Gegensätze mehr, sondern zwei Seiten derselben Medaille: Wenn etwa der Handelsvertrag der USA mit Südkorea dazu führe, "dass die Koreaner ihre Autos bei uns wie süße Pfannkuchen verkaufen, während wir wegen der vielen verbliebenen nichttarifären Handelsbarrieren weiterhin kaum einen Wagen in Korea loswerden, dann klingt das für mich ungerecht", so der CEA-Vorsitzende. Trump sei der erste Präsident, der sich das nicht mehr gefallen lasse, er sei deshalb ein echter "Handelsreformer".

Was die beiden unter anderem eint: Die Begeisterung für die Börse

Noch leichter fiel Hassett die Mitarbeit an der Steuerreform, denn Trumps Idee, dass die Bürger reicher werden, wenn man nur die Wirtschaft entlastet, stammt nicht zuletzt von ihm. Seit jeher ist Hasset der Ansicht, dass eigentlich die Arbeitnehmer die Unternehmensteuern bezahlen, indem sie auf die sonst möglichen höheren Löhne verzichten. Sinkt die Steuerlast, sind sie entsprechend die Gewinner. Die meisten anderen Ökonomen dagegen glauben, dass es vor allem die Aktionäre sind, die von einer Firmensteuersenkung profitieren.

Und noch ein Thema eint den Präsidenten und seinen Chefökonomen: die Begeisterung für die Börse. Schon 1999 schrieb Hasset ein Buch, in dem er erklärte, dass Aktien völlig unterbewertet seien und sich der Kurs des Dow-Jones-Index binnen weniger Jahre auf 36 000 Punkte vervierfachen werde. Heute, zwei Jahrzehnte später, ist der Index tatsächlich auf gutem Wege: Bis zur Zielmarke fehlen nur noch etwa 10 000 Punkte.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2018
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