Süddeutsche Zeitung

Betrug mit Corona-Schnelltests:Länderminister attackieren Karl Lauterbach

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Die Art und Weise, wie der Bundesgesundheitsminister massenhafte Betrügereien mit Corona-Schnelltests beenden will, wird nun auch von Bayern und Baden-Württemberg als untauglich verworfen.

Von Klaus Ott, München

Wenn zwei Länder-Minister von der CSU und den Grünen eine gemeinsame Allianz gegen ein Vorhaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bilden, dann muss die Not schon groß sein. Sitzen die Grünen in Berlin doch zusammen mit SPD und FDP in der Regierung. Doch ein aktueller Entwurf aus Lauterbachs Haus zur Betrugsbekämpfung bei Corona-Schnelltests lässt selbst Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha von den Grünen aus dessen Sicht keine andere Wahl mehr.

Bei einem gemeinsamen Vorstoß an diesem Montag mit seinem bayerischen Kollegen Klaus Holetschek von der CSU attackierte Lucha das Vorhaben von Lauterbach als "denkbar schlechteste Lösung". Deutlicher geht es nicht. Der von Lauterbachs Ministerium vorgelegte Entwurf für eine überarbeitete Testverordnung sei nicht praktikabel, kritisiert der Grüne Lucha. Nach dem Willen von Lauterbachs Ministerium sollen künftig das Robert-Koch-Institut (RKI) sowie die Gesundheitsämter der Städte und Landkreise eingespannt werden, um noch mehr Betrügereien zu verhindern.

Bundesweit laufen mehrere Hundert Ermittlungsverfahren. Der von privaten Schnellteststationen mit falschen, weil überhöhten Abrechnungen angerichtete Schaden soll mehr als eine Milliarde Euro betragen. Insgesamt hat der Staat bereits rund zwölf Milliarden Euro für Corona-Tests privater Betreiber ausgegeben. RKI-Chef Lothar Wieler hat bereits im Juli in einem Schreiben an Lauterbachs Ministerium mehrere Mängel in dem Verordnungsentwurf aufgelistet. Das RKI soll die Abrechnungsdaten von privaten Schnellteststationen analysieren, damit anschließend die Gesundheitsämter gegen mutmaßliche Betrüger vorgehen können.

Dazu hätten die Gesundheitsämter aber weder das Personal noch das notwendige Fachwissen, rügt Bayerns Gesundheitsminister Holetschek. Sein Baden-Württemberger Kollege Lucha ergänzt, die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität zähle "bekanntlich nicht zu den Aufgabengebieten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes". Das liest sich so, als müsse Lucha seinem Bundeskollegen Lauterbach erklären, wozu die Gesundheitsämter da seien. Holetschek wiederum sagt, die neue Testverordnung sei "schlecht für die Pandemiebekämpfung, für die Gesundheit der Bevölkerung und für die Betrugsbekämpfung bei Abrechnungen".

Holetschek hält Lauterbach schwere Versäumnisse vor. Der Bund wüsste Bescheid, sofern er sich "auch nur einmal mit Ländern und Kommunen" abgestimmt hätte. Leider seien die Bundesländer "mal wieder nicht gefragt worden". Nach Ansicht von Lucha würde sich eine ganz andere, viel bessere Lösung bieten als die von Lauterbach vorgeschlagene. Staatlich finanzierte Schnelltests sollten auf "klar definierte professionelle Anbieter wie Arztpraxen, Apotheken und Rettungsdienstorganisationen" beschränkt werden. Diesen Vorschlag von Baden-Württemberg habe der Bund "bisher leider nicht aufgegriffen".

Vergangene Woche hatte bereits der Deutsche Städtetag erklärt, die kommunalen Gesundheitsbehörden hätten weder Geld, Personal noch die Fachkompetenz, um im Detail zu prüfen, ob die Abrechnungen von Testzentren korrekt seien. Es sei zudem rechtswidrig, wenn der Bund diese Kontrollaufgabe auf die Gesundheitsämter übertragen wolle. Im Verordnungsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums heißt es dazu, den Gesundheitsbehörden entstehe ein "nicht quantifizierbarer Erfüllungsaufwand" für vertiefte Prüfungen. Kosten für den Bund laut Entwurf: "Keine."

Lauterbach will also die entstehenden Kosten einfach abwälzen. Das aber wollen sich die Länder, Städte und Landkreise nicht gefallen lassen. Bayerns Gesundheitsminister Holetschek warnt, die Gesundheitsämter sollten sich nach den Plänen aus Berlin im Herbst und Winter mit Abrechnungsbetrügereien beschäftigen und hätten dann zu wenig Zeit für ihre Kernaufgabe, den öffentlichen Gesundheitsschutz. Das sei auch schlecht für den Kampf gegen die Pandemie.

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