Süddeutsche Zeitung

Jobcenter:500 Millionen Euro - die Reform wird teuer

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Alarmierende Zahlen: Sollte die Jobcenter-Reform wie geplant umgesetzt werden, kommen auf den Steuerzahler hohe Mehrbelastungen zu.

Thomas Öchsner

Wenn von 2011 an mehr Städte und Landkreise Hartz-IV-Empfänger in Eigenregie betreuen, kommen auf die Steuerzahler erhebliche Mehrkosten zu. Dies geht aus internen Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Derzeit betreuen 67 sogenannte Optionskommunen Langzeitarbeitslose und deren Familien.

In Zukunft können es 43 mehr, also bis zu 110 sein. Die Zahl der Jobcenter, in denen Kommunen und Arbeitsagenturen sich gemeinsam um Hartz-IV-Empfänger kümmern, sinkt dadurch von 345 auf zunächst gut 300. Darauf hatten sich die Bundesregierung und die SPD-Fraktion bei der Neuordnung der Hartz-IV-Verwaltung geeinigt.

Der Vorstandschef der Bundesagentur, Frank-Jürgen Weise, legte nun in einem Vortrag eine brisante Modellrechnung vor: Danach belaufen sich die Einnahmenausfälle und Mehrausgaben bei einer vollständigen Übernahme der Hartz-IV-Verwaltung durch die Kommunen auf 3,9 Milliarden Euro. Dies bestätigte die Bundesagentur der SZ. Bei einer Erhöhung der Zahl der Optionskommunen um wie geplant mehr als 40 ergibt sich daraus ein rechnerischer Mehrbedarf von knapp 500 Millionen Euro im Jahr.

Kritik der Linkspartei

Bei der Arbeitsmarktexpertin der Linken, Sabine Zimmermann, stößt dies auf scharfe Kritik: Durch den Jobcenter-Kompromiss werde "die Situation der Erwerbslosen nicht verbessert, aber eine einheitliche Arbeitsvermittlung geschwächt". In der Verfassung werde "ein arbeitsmarktpolitischer Flickenteppich festgeschrieben, der auch noch den Steuerzahler teuer zu stehen kommt".

Weise beruft sich auf die jüngste Untersuchung, bei der im Auftrag des Arbeitsministeriums die Leistungsfähigkeit der Jobcenter mit denen der Kommunen verglichen wurde. Laut dem fast 300 Seiten starken Bericht vom Dezember 2008 gelingt es den Jobcentern besser, den Hartz-IV-Beziehern zu helfen. Die kommunalen Träger verursachten "einen fiskalischen Verlust von im Schnitt 63 Euro pro Monat und Bedarfsgemeinschaft", also Hartz-IV-Haushalt. Würde man die Optionskommunen bundesweit einführen, ergäbe sich daraus ein Mehrbedarf von 3,3 Milliarden Euro. Die BA beziffert diesen nun mit 3,9 Milliarden Euro.

Auch der Bundesrechnungshof hatte den Ausbau der Optionskommunen kritisiert: Die verschiedenen Systeme würden "das Risiko zweiter Klassen erwerbsfähiger Hilfebedürftiger" bergen. Das Arbeitsministerium wies dagegen in einer Antwort auf eine Linken-Anfrage darauf hin, dass die Regierung die "politische Umsetzbarkeit berücksichtigen" müsse. Die Union hatte auf mehr Optionskommunen gedrungen. Derzeit steht der Jobcenter-Kompromiss aber wieder auf der Kippe, weil die von Union und FDP zugesagte Mittelfreigabe für die Entfristung von 3200 Vermittlerstellen in den Arbeitsagenturen bislang nicht erfolgte.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2010
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