Süddeutsche Zeitung

Musik und Technik:Warum ein Lied von Janet Jackson Festplatten crasht

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Spielt man "Rhythm Nation" auf bestimmten Laptops ab, geht offenbar die Festplatte kaputt. Des Rätsels Lösung ist pure Physik.

Von Helmut Martin-Jung

Dass die Dinger überhaupt funktionieren, ist eigentlich ein kleines Technikwunder: Magnetische Festplatten, Datenspeicher also, sind hochpräzise Bauteile, die im Reinraum gefertigt werden - jedes Stäubchen kann sie beeinträchtigen. Anfangs waren sie so groß wie ein Kühlschrank und konnten nur ein paar Megabyte an Daten fassen. Das reicht gerade einmal für ein, zwei Musikstücke. Die gab's damals, in der 1950ern, aber noch lange nicht digital.

Als man aber dann, Anfang der 2000er, Musikvideos vom Laptop aus abspielen konnte und Festplatten auf die Größe eines Smartphones geschrumpft waren, wurden Mitarbeiter von Computerherstellern mit einem äußerst seltsamen Phänomen konfrontiert. Bei manchen der tragbaren Computer gab die Festplatte den Geist auf, wenn sich die Nutzer ein bestimmtes Musikvideo ansahen. Raymond Chen, langjähriger Microsoft-Programmierer, hat die Geschichte jetzt für seinen Blog ausgegraben.

Was aber hatte es bloß auf sich mit Janet Jacksons "Rhythm Nation"? Sogar bei Laptops, die neben einem anderen standen, der das Lied abspielte, ging die Platte kaputt - wie konnte das denn sein? Die Lösung ist pure Physik. Das Lied enthielt eine Frequenz, identisch mit der Eigenresonanz einer Baureihe von Festplatten. Die Frequenz aus dem Lied versetzte also die Platte in Vibrationen, bis sie schließlich kaputtging. Wieso das so ist, zeigt ein kleiner Blick in die Technik von Festplatten.

Speicherplatten mögen es auch nicht, wenn sie unsanft auf den Boden knallen

In ihren staubdicht verschlossenen Gehäusen rotieren Scheiben aus Glas oder Metalllegierungen in Hochgeschwindigkeit. Sie sind beschichtet mit einem magnetischen Material, beschrieben und gelesen werden sie magnetisch von fingerartigen Gebilden, deren Ende - der Schreib und Lesekopf - nur wenige Millionstel Millimeter über den Scheiben hin- und her saust. Es leuchtet ein, dass es bei derart geringen Toleranzen nicht gut sein kann, wenn die Platte in Vibrationen gerät - bad vibrations sozusagen. Die magnetischen Speicherplatten mögen es auch nicht, wenn sie unsanft auf den Boden knallen. Deshalb haben moderne Laptops einen Beschleunigungssensor, der registriert, wenn ein Laptop fällt. Dann werden die Schreib- und Leseköpfe in Sekundenbruchteilen so geparkt, dass sie nicht auf den Scheiben kratzen.

Die meisten Laptops von heute enthalten allerdings gar keine Festplatten mit rotierenden Scheiben mehr, sondern solche aus Halbleiter-Bausteinen, wie sie auch in USB-Sticks oder Smartphones stecken. Man nennt sie Solid State Drives (SSD). Sie können Daten um Größenordnungen schneller speichern und wieder lesen als die herkömmlichen Hard Disk Drives (HDD). Weil sie auch noch unempfindlicher sind gegen Stöße und Vibrationen, haben sie sich schnell durchgesetzt, obwohl sie vor allem am Anfang wesentlich teurer waren.

Herkömmlich Festplatten haben trotzdem nicht ausgedient. Vor allem in Rechenzentren tun sie nach wie vor ihren Dienst, weil es dort nicht auf das letzte Quäntchen Geschwindigkeit ankommt, sondern auf den Preis pro Speichereinheit. Und da liegen die Laufwerke mit den rotierenden Scheiben noch immer vorne.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, Festplatten mit rotierenden Scheiben seien luftdicht verschlossen. Das stimmt nicht. Sie besitzen einen Feinstaubfilter, sind also gegen das Eindringen von Staub geschützt.

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