Süddeutsche Zeitung

Internet-Browser Cliqz:Meine Daten gehören mir

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Von Helmut Martin-Jung, München

Endlich bekommen Werbekunden eine Antwort auf die alte Frage von Henry Ford: Die Hälfte der Werbeausgaben seien definitiv für die Katz, er wüsste nur gerne, welche, ärgerte der sich schon vor Jahrzehnten. Um noch besser verfolgen zu können, ob Anzeigen auch tatsächlich dazu führen, dass die Kunden etwas kaufen, bringt der Internetkonzern Google in den USA nun auch die Daten von Kreditkarteneinkäufen in herkömmlichen Geschäften mit den Anzeigen zusammen, die Nutzern zuvor am Bildschirm angezeigt wurden. Google kann das, weil es Zugriff auf 70 Prozent aller Kreditkartentransaktionen in den Vereinigten Staaten hat.

Es sind Nachrichten wie diese, die Internetnutzer frösteln lassen. Marc Al-Hames dagegen geben sie eher Hoffnung. "Der Wunsch nach Privatsphäre wird uns langfristig helfen", sagt er. Der 40 Jahre alte Elektrotechniker ist Geschäftsführer der Firma Cliqz, einer Tochter des Burda-Konzerns. Cliqz bietet in Kooperation mit Mozilla, der Stiftung hinter Firefox, einen eigenen Browser an, bei dem die Privatsphäre großgeschrieben wird.

"Wir glauben an eine Welt, in der die Daten dezentral sind", sagt Al-Hames. Dezentral, das heißt hier, wonach die Kunden suchen, was sie sich im Netz ansehen, wird nicht zentral in den Serverfarmen der großen Datensammler gespeichert, bei den Googles und Facebooks. Es bleibt auf dem Computer der Nutzer. "Wenn Sie nach einer Krebsbehandlung suchen, dann geht das niemanden etwas an", sagt Al-Hames.

Die Daten verlassen den Rechner des Nutzers nicht

Ihm ist natürlich klar, welche Konkurrenz er sich da ausgesucht hat. "Wir brauchen mindestens fünf Prozent Marktanteil", rechnet er vor, "aber es ist schwer, als Suchmaschine zu wachsen." Cliqz setzt daher auf Partnerschaften mit Unternehmen wie etwa Rewe oder Nissan. Aus den Daten, die der Browser über das Suchverhalten speichert, versucht Cliqz zu schließen, was den Nutzer interessieren könnte. "Der Browser weiß, was ich suche", erläutert Al-Hames, "aber dazu muss er nicht wissen, wer ich bin oder wie alt." Die Daten, das ist der große Unterschied zu Google und anderen Anbietern, müssten den Browser auch nicht verlassen.

Jede Suche im Cliqz-Browser liefere eine Reihe Suchergebnisse zurück, aus diesen sucht der Computer des Nutzers dann diejenigen aus, die für den Nutzer interessant sein könnten. Die Personalisierung findet also erst auf dem PC oder dem Smartphone statt. "Der Client wird mächtiger", sagt Al-Hames.

Zurzeit fokussiert sich das Unternehmen auf den deutschsprachigen Markt, etwa eine Million Menschen nutzen den Browser aktiv, weitere zehn Millionen haben eine Browser-Erweiterung namens Ghostery installiert. Sie erkennt und blockiert auf Wunsch Elemente auf Webseiten, über die Unternehmen das Surfverhalten erfassen. Vier von fünf Webseiten setzen solche Elemente ein. Das Unternehmen aus New York gehört seit Mitte 2017 zu Cliqz.

Al-Hames ist sicher, dass seine Firma es schaffen wird, das nötige Suchvolumen zu generieren, "mit Partnern ist das machbar", sagt er. Immerhin sei man in Deutschland schon die zweitgrößte Suchmaschine nach Google.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2018
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