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Konjunkturprognose der Wirtschaftsweisen:Inflation zieht deutsche Wirtschaft nach unten

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Der Absturz im Winter ist ausgeblieben. Das war es dann aber auch fast schon mit guten Nachrichten von den Wirtschaftsweisen.

Von Bastian Brinkmann

Weiterhin stark steigende Preise belasten die deutsche Konjunktur. Davor warnen die Wirtschaftsweisen in einer neuen Konjunkturprognose. Zwar sind Gas und Strom nicht mehr so teuer wie noch vor ein paar Monaten, daher ist die Inflation insgesamt zuletzt nicht mehr gestiegen. Doch rechnet man die Energiekosten heraus, steigt die sogenannte Kerninflation weiterhin an. Unternehmen erhöhen also in der Breite die Preise, die Deutschen müssen für viele Produkte und Dienstleistungen mehr ausgeben. Der Anstieg der Kerninflation hat sich zuletzt weiter beschleunigt, mahnt die Ökonomin Ulrike Malmendier vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wie die Wirtschaftsweisen offiziell heißen.

Die deutsche Wirtschaft wird den einflussreichen Ökonomen zufolge dieses Jahr de facto stagnieren, das Bruttoinlandsprodukt könnte um 0,2 Prozent wachsen. Vor einem Jahr, als die ökonomischen Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine noch nicht so absehbar waren wie heute, hatten die Wirtschaftsweisen für 2023 noch ein Wachstum von 3,6 Prozent prognostiziert. Das hätte einer ordentlichen Erholung nach der Corona-Krise entsprochen. Diese Erholung fällt nun erst mal aus.

Durch die steigenden Preise können sich die Menschen weniger leisten. Das sei "der zentrale Belastungsfaktor für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland", schreiben die Sachverständigen. Zum Beispiel hätten die Deutschen spürbar weniger Geld für Restaurants und Hotels ausgegeben, die Umsätze im Gastgewerbe seien zwischen Oktober und Dezember 2022 um 16,4 Prozent gefallen. Wegen der Inflation halten viele Menschen ihr Geld zusammen - das ist schlecht für das Bruttoinlandsprodukt. Gut dagegen ist für das Wachstum, dass die Arbeitslosigkeit weiter recht niedrig ist und der Staat die Konjunktur stützt.

Die Situation sei eine ganz andere als in der Finanzkrise

In die neue Prognose sind die Bankenturbulenzen der vergangenen Tage noch nicht direkt eingeflossen. Die Wirtschaftsweisen halten die Stabilität der Finanzmärkte allerdings auch nicht für gefährdet. Die Situation sei eine ganz andere als in der Finanzkrise 2008, sagt Ökonomin Malmendier mit Blick auf die USA und die Schweiz. Die Geschäfte der Banken untereinander seien nicht gestört, Firmen bekämen weiterhin Kredite von den Instituten. Das spräche dafür, dass die Zentralbanken ihren Kampf gegen die Inflation fortsetzen und die Leitzinsen weiter erhöhen sollten, so Malmendier. Allerdings gelte es, auch die Psychologie der Finanzmärkte zu berücksichtigen. Das ist ihrem Urteil zufolge bislang gut gelungen, sie lobte die schnelle Reaktion der Zentralbanken weltweit.

Festzustellen ist zudem: Ein Crash ist im gerade zu Ende gegangenen Winter ausgeblieben. Den hatte manche vor allem angesichts der enorm gestiegenen Gaspreise befürchtet. Mittlerweile sind die Preise für Energie aber wieder deutlich gefallen. Das ist nicht nur gut für die Bürger und die Unternehmen. Die Energiekrise wird somit auch für den Staat deutlich billiger als gedacht.

Die aus Steuergeld finanzierten Preisbremsen für Gas und Strom werden 2023 viel weniger kosten als vor einigen Monaten noch angenommen. Die Ausgaben für die Gaspreisbremse belaufen sich laut Prognose der Sachverständigen in diesem Jahr nur auf 15 Milliarden Euro, bei der Strompreisbremse sind es demnach 13 Milliarden Euro. Zur Seite gelegt hatte die Bundesregierung ein Vielfaches davon: insgesamt 200 Milliarden Euro, Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte von einem "Doppelwumms" gesprochen.

Wirklich erholen dürfte sich die deutsche Konjunktur allerdings erst 2024. Das Wirtschaftswachstum könnte dann bei 1,3 Prozent liegen, prognostizieren die Sachverständigen. Im kommenden Jahr könnten die Löhne wieder steigen und die Inflation sinken - die Menschen dürften dann wieder mehr einkaufen, was die Konjunktur stützen werde. Belasten wird die Wirtschaftsleistung 2024 allerdings wiederum die Geldpolitik der Notenbanken. Wegen der steigenden Zinsen werden Unternehmen voraussichtlich weniger investieren, schreiben die Wirtschaftsweisen. Daher fällt das prognostizierte Plus von 1,3 Prozent auch eher mager aus.

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