Süddeutsche Zeitung

Industrie:Chemiegewerkschaft will Ausgleich für Inflation

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Es wird eine harte Lohnrunde erwartet. Die Bundesregierung soll Bürgern mit Energieschecks helfen, fordert die Gewerkschaft.

Von Alexander Hagelüken

Die hohe Inflation sorgt gerade viele Bundesbürger. Und das gilt besonders für die stark gestiegenen Energiepreise. Die Gewerkschaft Chemie und Energie (IG BCE) fordert jetzt staatliche Hilfen für die Bevölkerung - und will in der kommenden Tarifrunde verhindern, dass die Beschäftigten finanzielle Einbußen erleiden.

Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis ist der Meinung, dass die 15- bis 20-jährige Ära geringer Preissteigerungen zu Ende geht. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass Inflation wieder ein längerfristiges Phänomen ist", sagte Vassiliadis am Montag. Das lässt aufhorchen, weil manche Ökonomen befürchten, die Gewerkschaften könnten durch hohe Lohnforderungen die Inflation erst recht hochtreiben. Und bei der drittgrößten Gewerkschaft steht im Frühjahr die neue Tarifrunde an - der erste richtige Test, wie die Arbeitnehmervertreter auf die stark gestiegenen Preise reagieren.

Vassiliadis erklärte, es dürfe für die mehr als eine halbe Million Beschäftigten der Branche keine dauerhaften Verluste beim Reallohn geben - also beim Lohn abzüglich Preissteigerungen: "Jetzt müssen klassische Lohnforderungen Priorität genießen". Tarifexperte Ralf Sikorski erklärte: "Das Ziel ist, die Inflationsrate auszugleichen und einen Reallohngewinn zu erreichen".

Droht eine Lohn-Preis-Spirale?

Nimmt man die Preissteigerung von 3,1 Prozent 2021 zum Maßstab, müsste die IG BCE dann eine Lohnerhöhung von deutlich mehr als drei Prozent erreichen. Sikorski erklärte allerdings, man wolle sich am Zeitpunkt Ende März orientieren, wenn die Verhandlungen beginnen: die dann aktuelle Inflation und die Prognosen für den Rest des Jahres seien entscheidend.

Droht da eine Lohn-Preis-Spirale? In den 1970er Jahren hatten Gewerkschaften durch teils zweistellige Lohnabschlüsse die Inflation angeheizt. Vassiliadis versucht solche Bedenken zu zerstreuen: Der Anteil der Löhne am Umsatz liege in der Chemie- und Energiebranche nur bei 14 Prozent. Und in der Industrie insgesamt bei gut 16 Prozent. "Das ist keine Größenordnung, die die Preise treibt. Ich sehe keine Gefahr von Lohn-Preis-Spiralen".

Er forderte die Bundesregierung auf, angesichts der hohen Energiepreise zu handeln. Die starken Preissteigerungen drohten viele Haushalte und Unternehmen zu überlasten. Er forderte unter anderem Energie-Schecks mit einem pauschalen Förderbetrag für Haushalte. Außerdem solle es eine höhere Mobilitätsprämie für Geringverdiener beim Pendeln und eine frühere Entlastung bei der EEG-Umlage geben. "Es gibt Armut in Deutschland, und die wird durch die aktuelle Energieentwicklung verschärft."

Vassiliadis äußerte sich auch zur Nachfolge des bald altersbedingt scheidenden Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann. Er gestand ein, dass es bisher nicht gelungen sei, sich auf die Personalie an der Spitze des Dachverbands der Gewerkschaften zu einigen. So sei der Plan gescheitert, erstmals eine Frau als DGB-Chefin zu etablieren. Vassiliadis bestätigte, er habe sich dann "aus Verantwortung" bereit erklärt, selbst den Posten zu übernehmen. Dafür gab es aber nicht die Unterstützung aller Einzelorganisationen, was dem Vernehmen nach an der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi liegt, die politisch linker ist als der moderate Vassiliadis. "Nun müssen wir uns auf jemand einigen", sagte Vassiliadis, "viel Zeit bleibt nicht".

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