Süddeutsche Zeitung

Immobilien:Die Preise für Wohnungen sind gefährlich hoch

Lesezeit: 4 Min.

Von Thomas Öchsner, München

Bei solchen Preisen kann man schon ins Staunen kommen: Für 489 990 Euro ist zum Beispiel eine überaus normale Zwei-Zimmer-Wohnung in der Münchner Innenstadt zu haben. Baujahr 2004, "neuwertig", 58 Quadratmeter, für 920 Euro monatlich vermietet. "Modernes und ruhiges Wohnen in Schwabing-West", nennt das der Anbieter. Bei den Kaufpreisen für Wohnungen und Häuser scheint in der bayerischen Landeshauptstadt die Skala immer noch nach oben offen zu sein.

Nicht nur in München haben im vergangenen Jahr die Immobilienpreise kräftig angezogen. Auch in anderen begehrten Groß- und Studentenstädten sind die Immobilienpreise kräftig gestiegen. Mehr als ein Jahrzehnt dauert dieser Immobilienboom schon in Deutschland. Doch wird es in den nächsten Jahren so weitergehen? Eine Trendwende kommt so schnell wohl nicht. Experten erwarten aber, dass an den gefragten Standorten die Preise zumindest nicht mehr so schnell zulegen.

Die Preise seien schon jetzt "vielerorts sehr hoch", heißt es beim Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, dem ZIA. Trotzdem spricht derzeit viel dafür, dass es weiter aufwärts geht: Die Zinsen für Baugeld sind immer noch auf einem historisch niedrigen Niveau. Nach wie vor suchen vermögende Anleger einen Platz für ihr vieles Geld. Bei Asiaten, Amerikanern oder Käufern aus dem Nahen Osten sind Immobilien in deutschen Metropolen weiter gefragt. Die Wirtschaft läuft prächtig. Und viele junge, gut qualifizierte Menschen zieht es wie bisher in die Innenstädte. "Der Trend zur Bevölkerungskonzentration in Ballungsregionen wird sich voraussichtlich fortsetzen", stellt Volkswirt Martin Müller von der Förderbank KfW fest.

Reiner Braun, Vorstandsmitglied beim Analysehaus Empirica, rechnet deshalb damit, dass die Preise "weiter steigen, aber weniger stark als in den Vorjahren". Braun nennt dafür mehrere Gründe: In 249 von 402 Kreisen sind die Kaufpreise von 2004 bis 2017 stärker gestiegen als die Mieten für Neumieter. Es wird mehr gebaut als früher, wenn auch nicht genug. Das erhöht das Angebot an Wohnungen. Flüchtlinge wandern nicht mehr so stark zu, wie dies noch 2015 der Fall war.

"Der Flaschenhals ist das Bauland."

Die Bundesbank hatte bereits im November 2017 schon mal sicherheitshalber Investoren und Hausbauer davor gewarnt, allzu sorglos zu sein: "Je länger Boomphasen anhalten, desto größer die Neigung, diese in die Zukunft fortzuschreiben", sagt die Vizepräsidentin der Bundesbank, Claudia Buch. Eine deutschlandweite Immobilienblase sieht die Notenbank derzeit aber nicht. Denn weder ist die Vergabe von Baukrediten gefährlich schnell gestiegen, was auf spekulative Immobilienkäufe in einem gesamtwirtschaftlich alarmierenden Umfang hindeuten würde. Noch gibt es Hinweise, dass die Kreditinstitute leichtfertig Darlehen an Kunden herausgeben, deren Bonität für einen Kredit nicht reicht.

Trotzdem diagnostiziert das unabhängige Analysehaus Empirica erste Anzeichen für eine Überhitzung des Marktes: In einigen Städten spekulierten Käufer zunehmend auf steigende Preise, obwohl sich diese "fundamental nicht mehr rechtfertigen lassen - weder mit gestiegenen Mieten, noch mit gestiegenen Einkommen, noch mit gesunkenen Zinsen", merken die Experten in ihrer jüngsten breit angelegten Studie zum deutschen Wohnungsmarkt an. Änderten sich die Erwartungen dieser Käufer an den Preis, etwa, weil die Zinsen für Hypothekenkredite anziehen, die Zuwanderung überraschend stark zurückgeht oder deutlich mehr Wohnungen fertiggestellt werden, könne sich der Preistrend umdrehen. "Was auch immer der Auslöser sein wird, wir halten es für mehr als wahrscheinlich, dass ein Preisrückgang in einigen Städten eines der großen Themen der nächsten Jahre sein wird", heißt es deshalb in der Untersuchung.

Spekulativ überhöhte Preise für Eigentumswohnungen sehen die Immobilienfachleute schon jetzt im Großraum München, Berlin, Frankfurt am Main, Stuttgart, Freiburg, Ingolstadt und Landshut. Empirica schätzt das Rückschlagspotenzial in den genannten Städten bei den Kaufpreisen für Mietwohnungen auf bis zu 35 Prozent; um so viel müssten die Kaufpreise also niedriger sein, wenn sie genauso stark wie die Mieten gestiegen wären. Solche Preisrückgänge sind nichts Ungewöhnliches. In den 80er- und von Mitte der 90er- bis Ende der 2000er-Jahre sanken die Preise für Eigentumswohnungen inflationsbereinigt in den meisten Städten zwischen 20 und 40 Prozent.

Bislang ist davon am deutschen Immobilienmarkt nichts zu sehen. "Es gibt aber Anzeichen dafür, dass Schwarmstädte wie Berlin und München an Anziehungskraft verlieren", sagt Empirica-Vorstand Braun. Junge Menschen aus den Abwanderungsgebieten wollten weiter in diese Metropolen. "Sie sehen aber, dass sie es sich nicht mehr leisten können und weichen in andere Städte aus wie Halle, Jena oder Regensburg und Ingolstadt." In der Studie des Analysehauses heißt es dazu: "Weiter signifikant steigende Mieten halten wir gerade für Berlin und München angesichts der erwarteten Entwicklung von Angebot und Nachfrage für unwahrscheinlich."

Sicher ist: Durch die Binnenwanderung innerhalb Deutschlands - Fachleute sprechen vom "Schwarmverhalten der nachwachsenden Generation" - haben sich die regionalen Unterschiede verstärkt: Dort, wo das Wohnen schon jetzt günstig ist, erhöhen sich die Mieten gar nicht oder nur wenig. Wo wegen der Knappheit am bezahlbaren Wohnraum hohe Mieten zu zahlen sind, steigen die Mieten relativ stark. Im Jahr 2016 reichten die mittleren Mieten von 4,47 Euro je Quadratmeter im Landkreis Lüchow-Dannenberg bis zu 14,22 Euro in der Stadt München. Mieten von mehr als acht Euro je Quadratmeter werden in nur 67 Landkreisen und kreisfreien Städten bezahlt. Dort leben jedoch immerhin 27 Prozent der Bevölkerung.

Der Mieterbund hält die Ausweisung von mehr Bauland für die beste Lösung

Wer in diesen Regionen zu Hause ist, muss sich darauf einstellen, dass die Mieten eher weiter zulegen. Der Immobilienverband IVD erwartet aber, dass sich bei den Neuvertrags-Mieten der Anstieg verlangsamen wird. Hier wirke sich der stärkere Neubau von Wohnungen bereits aus. Der Mieterbund warnt hingegen davor, dass auch bei Altverträgen nun die Mieten zulegen werden. Auch würden wegen des Ansturms auf die Großstädte Wohnungen im Umland teurer.

Mieterbund-Direktor Lukas Siebenkotten fordert die Politiker auf, mehr für bezahlbare Wohnungen zu tun. Empirica-Vorstand Braun hält dies für im Prinzip richtig, sagt aber: "Der Flaschenhals ist das Bauland. Ohne mehr Bauland helfen auch Subventionen, ob in Form von Baukindergeld oder besseren Abschreibungsmöglichkeiten, nichts." Bauland auszuweisen und zu entwickeln, dauere jedoch lange. "Bis ein neuer Stadtteil fertig ist, gehen etwa zehn Jahre ins Land", sagt Braun.

Die Schwabinger Zwei-Zimmer-Wohnung für 489 990 Euro, 58 Quadratmeter bei 920 Euro Mieteinnahmen, wird bestimmt einen Käufer finden.

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SZ vom 05.01.2018
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