Süddeutsche Zeitung

Illegale Märkte:Heroin zu verschenken

Lesezeit: 3 min

Illegale Drogenmärkte funktionieren anders - zum Nachteil der Konsumenten. Welche Rolle geheime Preise spielen und wie Gewinnspannen von 20 000 Prozent zustande kommen.

Von Jan Schmidbauer

Der Weg in die Heroinsucht beginnt oft mit einem Geschenk. "Das berichten die Patienten wiederholt", sagt Kirsten Meyer. Sie ist Suchtmedizinerin in einer Münchner Klinik und behandelt Schwerstabhängige, die nicht mehr wegkommen von den harten Drogen. Den ersten Schuss Heroin, der häufig ausreicht, um abhängig zu werden, haben viele Süchtige umsonst bekommen. Manchmal kommt das Zeug von Bekannten, die süchtig sind. Aber auch die Dealer verschenken Stoff. Es lohnt sich. Die Margen, die sie mit der illegalen Ware machen, sind hoch genug. Wenn der neue Kunde erst einmal an der Nadel hängt, kassieren sie ihn ab.

Es klingt zynisch, aber man muss es so sagen: Dieser Marketing-Trick funktioniert, schon seit 1729. Damals begann der Händler Nicolas Ruinart im französischen Reims, langjährigen Kunden eine Flasche Champagner zu schenken. Eigentlich verkaufte Nicolas Ruinart Tücher. Doch die Flaschen kamen bei den Leuten so gut an, dass er den Tuchhandel aufgab. Er gründete stattdessen ein Champagnerhaus, das Maison Ruinart, bis heute eines der berühmtesten.

Champagner ist völlig legal, Heroin ist streng verboten. Auf den ersten Blick ähneln sich die Märkte für erlaubte und für illegale Produkte. Auf beiden gibt es zwei Parteien, die Produzenten und die Konsumenten. Genauso gibt es Angebot und Nachfrage. Aber es gibt auch große Unterschiede - meistens zum Nachteil der Konsumenten.

Geheime Preise = mehr Macht für die Verkäufer

Das betrifft vor allem die Preise. Weil Drogen verboten sind, bilden sich die Preise im Dunkeln. Wer wissen will, was ein Gramm Heroin kostet, findet den aktuellen Preis nicht im Werbeprospekt. Online-Vergleichsportale fehlen. Kein Preisschild zeigt allen Kunden transparent und gleichzeitig, wie teuer der Stoff nun sein wird.

Beim Dealer kommt es vor, dass der eine mehr zahlen muss, der andere weniger. Denn die fehlende Transparenz bevorzugt die Verkäufer, sie haben mehr Macht. Sie können beispielsweise Erstkonsumenten die Drogen teurer verkaufen, wenn diese die gängigen Preise noch nicht kennen. Angebot und Nachfrage können sich nicht fair ausgleichen.

Hinzu kommt: Gerade harte Drogen haben relativ hohe Gewinnmargen. Mit dem Anbau und der Herstellung der Drogen hat das nur wenig zu tun. Opium oder Kokablätter sind einfache Agrarprodukte, die als Rohstoff noch nicht besonders wertvoll sind. Die extremen Preissteigerungen entstehen erst durch den Handel. Denn durch das Verbot gehen die Verkäufer von Drogen das Risiko ein, erwischt zu werden. Gerade bei harten Drogen wie Heroin oder Crystal Meth drohen Dealern lange Haftstrafen. Und dieses Risiko lässt sich jeder Zwischenhändler bezahlen.

Das hat Folgen für die Kunden. Bei Heroin kann der Preis für den Konsumenten durchaus 25 Mal so hoch sein wie der Preis, für den die Droge im Ursprungsland eingekauft wurde. Beim Dealer auf der Straße bleibt nur ein Teil davon hängen, denn vorher kassieren meist schon mehrere Zwischenhändler ihren Anteil. Noch höhere Gewinnspannen als bei Drogen sind durchaus möglich, etwa bei gefälschten Medikamenten. Der Wirkstoff Sildenafil, aus dem das Potenzmittel Viagra besteht, erzielt laut der Kölner Zollfahndung schon mal das 200-Fache des Einkaufspreises auf dem illegalen Markt. Es werden Gewinnspannen von vielen tausend Prozent erreicht. Zum Vergleich: Bei Supermärkten sind Renditen im niedrigen einstelligen Prozentbereich die Regel.

Die Risiken beim Handel mit verbotenen Waren führen auch dazu, dass es tendenziell weniger Anbieter gibt. Nur die Harten bleiben übrig, nur ein Dealer steht auf dem Schulhof. Es können Monopole entstehen, wie auch auf legalen Märkten. Zum Beispiel gehören der Deutschen Bahn die Schienen in Deutschland. Will eine private Firma Züge fahren lassen, muss sie sich mit der Deutschen Bahn einigen, eine andere Möglichkeit hat sie nicht. Deswegen will der Staat Monopole eigentlich verhindern. Wenn es nicht anders möglich ist, sorgt er als Schiedsrichter für scharfe Auflagen für den Monopolisten.

Auf Drogenmärkten ist es üblich, dass sich Anbieter bestimmte Gebiete aufteilen. Das Bundeskartellamt ist nicht zuständig und kann nicht eingreifen. Die Folge ist weniger Wettbewerb. Die Anbieter profitieren davon, denn sie können die Preise erhöhen, ohne dass der Konsument zu einem anderen Anbieter wechseln kann.

Die Konsumenten von Drogen sind für gewöhnlich bereit dazu, hohe Preise zu bezahlen. Denn wenn sie einmal süchtig sind, wollen, müssen sie ihren Stoff unbedingt haben - ein Suchtkranker kann nicht auf andere Produkte ausweichen. Ökonomen sprechen dann von einer unelastischen Nachfrage.

Die Nachteile des Handels im Verborgenen

Auf legalen Märkten können die Konsumenten teils auf Preiserhöhungen reagieren, teils haben sie weniger Möglichkeiten. Als die Alcopop-Steuer die klebrigen Mischgetränke teurer machte, sank die Nachfrage. Das Gleiche gilt für Zigaretten. Steigt der Benzinpreis dagegen, kann der Pendler seinen Wagen nicht direkt stehen lassen. Doch auch der Autofahrer hat Ausweichmöglichkeiten. Er kann beispielsweise den öffentlichen Nahverkehr nutzen, wenn ihm der Sprit zu teuer wird.

Dass Drogen eher im Verborgenen gehandelt werden, hat für die Verkäufer aber auch einen Nachteil: Sie können nicht auf direktem Wege für ihre Produkte werben. Wenn ein Dealer neue Kunden gewinnen will, muss er sie direkt ansprechen oder darauf hoffen, dass seine Konsumenten ihn weiterempfehlen.

Wessen Stoff knallt mehr? Solche Empfehlungen sind sehr subjektiv. Ob Preis und Qualität stimmen, muss jeder Konsument selbst beurteilen. In der legalen Welt überprüfen Tester wie der TÜV oder die Stiftung Warentest die Produkte, schicken sie in ein Labor, analysieren die Zusammensetzung. Zwar ließe sich auch die Qualität von Drogen durch Tests unterscheiden. Doch ein Gütesiegel für Crack und Koks, das gibt es von offizieller Stelle nicht.

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