Süddeutsche Zeitung

IAA:Abschied eines Auto-Mannes

Lesezeit: 3 min

Bernhard Mattes, der oberste Lobbyist der Branche, wirft überraschend hin. Einige Manager waren mit ihm unzufrieden: Er verfüge nicht über genug Einfluss auf die Politik.

Von Markus Balser und Max Hägler, Frankfurt

Bernhard Mattes, der oberste Auto-Verbandsmann in Deutschland, hatte den Tag auf der IAA in Frankfurt noch routiniert absolviert: Er eröffnete die Publikumstage auf der Automesse, er empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Paukenschlag kam um 17.20 Uhr: Da verschickte sein Arbeitgeber, der Verband der Automobilindustrie (VDA), eine Pressemitteilung, die nur aus einem Satz bestand: Mattes werde "das Amt des VDA-Präsidenten zum Jahresende 2019 niederlegen, um sich neuen Aufgaben zuzuwenden".

Der frühere Ford-Manager steht erst seit März 2018 an der Spitze des Verbandes. Dass er nicht sicher in seinem Stuhl saß, hatte sich in den vergangenen Wochen schon mehrfach gezeigt. Doch dann ging es doch überraschend schnell. Zu den Gründen wurde zunächst offiziell nichts bekannt. Nach Angaben aus Branchenkreisen war vor allem VW unzufrieden und soll bereits nach einem Nachfolger Ausschau gehalten haben. Manager bemängeln hinter vorgehaltener Hand, der Verbandschef verfüge in Berlin nicht über genug Einfluss. Gerade jetzt, wo die Politik die Klimaziele verschärfe, brauche die Autoindustrie eine stärkere Stimme.

Die gewichtigen Mitglieder Daimler und Continental äußerten Bedauern. Sie hätten gerne mit Mattes zusammengearbeitet. Offenbar bricht mit dem Rücktritt im Verband also neue Unruhe aus. Der VDA gilt als einer der einflussreichsten Lobbyverbände in Deutschland.

Auch um die IAA hatte es zuletzt heftigen Streit gegeben. Die Ausrichtung der Messe ist umstritten, Umweltschützer planen für das Wochenende große Demonstrationen. Im Vorfeld der Eröffnungsfeier hatte es zudem Ärger um den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) gegeben, der anders als in den Vorjahren nicht sprechen sollte. Feldmann hatte deshalb am Mittwoch eine "nicht gehaltene Rede zur IAA 2019" veröffentlicht. Laut Redemanuskript wollte Feldmann unter anderem sagen: "Frankfurt braucht mehr Busse und Bahnen, aber nicht mehr SUVs."

Feldmann habe nie auf der Rednerliste gestanden, erklärte ein Sprecher des VDA zum Vorwurf, der Verband habe einen Kritiker ausgeladen. Am Donnerstag hatte wegen des Streits um Feldmann auch die Klimaschutzbewegung Fridays for Future ein geplantes Treffen mit Mattes abgesagt.

Zudem ist die Fortsetzung der IAA am Messestandort Frankfurt fraglich. Der veranstaltende VDA wollte mit seinen Mitgliedern an diesem Donnerstag eigentlich über mögliche Alternativen oder auch eine Fortführung in Frankfurt in veränderter Form sprechen. Der VDA hat bereits versucht, dem Ereignis mit zusätzlichen Kongressformaten mehr inhaltliche Tiefe zu geben. Nach einem Messebesuch urteilte Ex-Opel-Chef Karl-Thomas Neumann: "Die IAA 2019 ist ein großer Reinfall. Sie ist ein trauriger Schatten ihrer selbst. Eine IAA 2021 wird es nicht geben." Die Messe zeige zu viele Autos und bilde nicht die gesamte Branche ab, begründete er seine Enttäuschung.

Die Autobranche steht wegen strengerer Klimaziele und des Wandels der Antriebstechnologien unter starkem Druck. Die Politik will in den nächsten Tagen die Vorgaben noch mal verschärfen. Mattes hatte sich am Donnerstag erneut dagegen ausgesprochen, er wandte sich gegen eine Verschärfung der bereits geltenden Klimaziele. Zunächst müsse das erledigt werden, was vereinbart worden sei. Während die Industrie Technologien zur Verfügung stelle, halte die notwendige Infrastruktur für alternative Antriebe nicht mit.

Der Besuch von Kanzlerin Merkel geriet da fast in den Hintergrund. Obwohl ganz zum Schluss ihres Messerundgangs dann das passierte, was die Automänner in diesen Tagen so gefürchtet haben: Unruhe in der großen Halle 11, Rufe, Pfeifen. Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, die sich gerade auf der Bühne die Modelle des Münchner Autoherstellers BMW erklären lässt, schaut ein wenig irritiert. Ein paar Meter weiter erklimmt eine junge Frau einen riesigen SUV namens X7. Jemand reicht ihr ein gelbes Tuch, sie breitet es aus: "Klimakiller" steht da und "Greenpeace", dazu ist ein Erdball gezeichnet, der von Autos in Brand gesetzt wird.

Merkel betonte vor allem, dass die Industrie eine "Herkulesaufgabe" zu bewältigen habe. Den Klimaschutz und die Proteste der Klimaschützer meinte sie auch, aber nicht allein. Es geht ihr um das gesamte Bild: So schnell verändere sich die Branche, das sei mehr als eine normale Umstellung. Das Auto sei im Zentrum paralleler Entwicklungsprozesse: Die Energiewende, die Digitalisierung, neue Konkurrenten, andere Mobilitätsbedürfnisse bei jungen Großstadtmenschen. Zugleich gehen die Gewinne und der Markt zurück, schon werden in der Konsequenz Jobs gestrichen.

Vor zwei Jahren war es hier eine strafende Rede von Merkel - der Dieselskandal stand im Mittelpunkt. Diesmal ist es beinahe eine motivierende: Der Umbruch sei extrem groß, sagt Merkel, aber: "Wir können das schaffen, als Deutschland vorne mit dabei zu sein!" Die Kanzlerin will in dieser Lage nicht noch mehr Stress verursachen. Eineinhalb Stunden läuft sie dann über diese große Messe, und spricht wirklich fast allen Managern freundlich Mut zu. Für den Stress sorgen eher die Trillerpfeifen der Greenpeace-Aktivisten, die schon in der Halle zu hören sind. Und um 17.20 dann eine Pressemitteilung, die nur aus einem Satz besteht.

In einer früheren Version des Textes stand "Mattes war früher Chef von Ford". Tatsächlich leitete Mattes bis 2017 die Ford-Werke GmbH in Köln.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2019
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