Süddeutsche Zeitung

Siemens:Joe Kaeser teilt aus

Lesezeit: 2 min

Von Thomas Fromm

Joe Kaeser hat mal wieder stressige Tage hinter sich. Zuerst die vielen Meetings beim Weltwirtschaftsforum im eisigen Davos, dann auch noch der Nervenkrieg um die geplante Fusion seiner Zugsparte mit der des französischen Alstom-Konzerns. Am Mittwochmorgen sitzt der Siemens-Chef schon sehr früh in einer Pressekonferenz am Rande der Münchner Olympiahalle und gewährt ungewohnte Einblicke: "Mein psychisches Innenleben ist sehr geordnet."

Wenn ein Top-Manager so etwas sagt, dann ist vieles vorstellbar: dass es dem Manager gerade richtig gut gehen muss. Oder aber auch, dass es ihm vielleicht nicht so gut geht, er tief in seinem Innern kocht und nur deswegen sagt, dass alles seine Ordnung hat. Daher sollte man noch wissen, dass Kaeser dabei eine gelbe Karte mit einem Smiley hoch hält. Angeblich haben ihm seine Kollegen die Karte aufs Pult gelegt - als freundliche Erinnerung mit der Botschaft: Während der Pressekonferenz freundlich gucken, bitte!

Als ob es in diesen Zeiten auf die Mimik des Joe Kaeser ankäme. Viel wichtiger ist, was er sagt und twittert. Am Mittwoch zum Beispiel, nur wenige Stunden vor Beginn der Siemens-Hauptversammlung in München, teilte er wieder kräftig aus. Bis zum 18. Februar will die EU-Kommission über die geplante Fusion der Zugsparten aus Deutschland und Frankreich entscheiden, und so wie die Dinge stehen, wird EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Sache nicht durchgehen lassen. ICE und TGV blieben also getrennt. Grund: Die EU-Kommissarin fürchtet um den Wettbewerb in Europa. Siemens und Alstom aber bereiten sich seit einem Jahr auf die Fusion vor. Sie wollen sie vor allem, um sich in Europa gegen den chinesischen Zughersteller-Giganten CRRC zu wappnen.

Heftige Attacke gegen Brüssel

Kaeser sagt nun, es werde "interessant sein zu sehen, ob die Zukunft der Mobilität in Europa durch rückwärtsgerichtete Technokraten oder aber von zukunftsorientierten Europäern bestimmt wird". "Rückwärtsgerichtete Technokraten" - das kann man als eine ziemlich direkte und heftige Attacke gegen Brüssel verstehen. Und wahrscheinlich ist es auch ein klares Indiz dafür, dass man bei Siemens nicht mehr an eine Lösung im Streit mit der EU glaubt.

Schon am Montag hatte der Siemens-Chef getwittert, es müsse "bitter sein, wenn man technisch recht hat, aber für Europa doch alles falsch macht". Nun ist der Tag der Hauptversammlung, und Kaeser sagt, die Fusion sei "für alle Beteiligten gut, wenn sie gelingt". Man werde sie "aber nicht um jeden Preis suchen". Das klingt so, als hätte er jetzt allmählich abgeschlossen mit diesem Thema. "Wir sind auch nicht bitter", sagt er. "Wir nicht. Wir haben eine große Gelassenheit."

Joe Kaeser ist ein Meister darin, ein Thema erst mal kräftig hochzufahren, um es danach dann wieder herunterzudimmen. War was? Nö, da war nichts.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4309281
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.