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Konzept der Grünen:So soll Hartz-IV-Empfängern nicht mehr der Strom abgestellt werden

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Von Henrike Roßbach

Mehr als 340 000-mal im Jahr wird Stromkunden der Strom abgestellt - weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlt haben. Im Jahr 2017 waren es einer Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage nach exakt 343 865 Fälle, im Durchschnitt lag der Zahlungsrückstand 2017 bei Zahlungsrückstand im Fall einer Sperrandrohung bei 117 Euro. Die Grünen im Bundestag wollen das ändern. Der sozialpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Sven Lehmann, hat ein Konzept ausgearbeitet, wie Stromsperren verhindert werden sollen; einen entsprechenden Antrag wollen er und seine Fraktion in den Bundestag einbringen.

Energiearmut sei ein zunehmendes Problem in Deutschland, heißt es in dem Antrag, der der SZ vorliegt. Die Folgen seien für die Betroffenen eklatant; vom Heizen über das Kochen bis zu Hausaufgaben im Dunkeln und Lebensmitteln, die nicht mehr im Kühlschrank gelagert werden könnten. Hinzu kämen die Kosten für Mahnungen, Sperrung und Entsperrung.

Besonders betroffen: Hartz-IV-Empfänger. "Etwa die Hälfte der Stromsperren entfallen auf Menschen in der Grundsicherung", sagt Lehmann. "Seit der Einführung von Hartz IV sind die Stromkosten stärker gestiegen als der Stromkostenanteil im Regelsatz." Nach Ansicht der Grünen sind die Stromkosten von den gegenwärtigen Hartz-IV-Sätzen nicht ausreichend abgedeckt. In ihrem Antrag fordern sie deshalb eine Stromkostenpauschale - zusätzlich zum geltenden Hartz-IV-Satz und mit jährlicher Anpassung an die Entwicklung der Strompreise.

Dazu kommen soll im Fall von Energieschulden ein "frühzeitiges Hilfesystem" zwischen Energieversorgern und dem Sozialamt oder Jobcenter. Auch verlängerte Mahn- und Sperrfristen schlagen die Grünen vor, genau wie eine Deckelung der bislang je nach Energieversorger unterschiedlich hohen Mahn- und Folgekosten bei einer Stromsperre - und deutschlandweite Energieberatungen zum Stromsparen, gerade für ärmere Haushalte. Vornehmlich ärmere Haushalte hätten nicht genügend Geld, etwa Haushaltsgeräte gegen solche auszutauschen, die weniger Strom verbrauchen. Deshalb müsse ihnen bei solchen Anschaffungen geholfen werden.

"Stromsperren können verhindert werden", sagt Lehmann, bei Grundsicherungsempfängern etwa dadurch, dass die Stromkosten vom Jobcenter direkt an den Stromerzeuger gezahlt würden. Die Bundesregierung, kritisiert der Abgeordnete, rede das Problem der Energiearmut in Deutschland klein. "Sie weigert sich sogar, den Vorschlag der EU umzusetzen und Energiearmut jährlich zu messen." Notwendig sei ein nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung von Energiearmut.

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Quelle:
SZ vom 14.05.2019
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