Süddeutsche Zeitung

"Harry Potter Wizards Unite" im Test:So spielt sich das "Pokémon Go" für Harry-Potter-Fans

Lesezeit: 3 min

Spieletest von Caspar von Au

Die BMW Welt im Münchner Norden hat es doppelt erwischt: Seit drei Jahren schon kämpfen rund um das Auto-Museum Pokémon-Trainer um die Vorherrschaft in der virtuellen Kampf-Arena. Seit ein paar Tagen steht am selben Ort nun außerdem eine ebenso virtuelle Zaubererfestung. Werwölfe, dunkle Magier und Irrwichte warten dort darauf, dass Spieler von "Harry Potter Wizards Unite" sie besiegen - im Alleingang oder in Gruppen von mehreren Zauberern.

Die Festungen sind eine Kategorie der magischen Orte in Harry Potter Wizards Unite, dem neuen Augmented-Reality-Spiel der Erfinder von Pokémon Go. Im Vorfeld haben Fans und Beobachter des mobilen Games-Geschäfts hohe Erwartungen an das neue Handy-Spiel geknüpft. Entwickelt haben es die Potter-Rechteinhaber Warner Brothers mit seinem Label Portkey Games und der Spielehersteller Niantic. Niantics bislang größter Erfolg war 2016 "Pokémon Go". Über mehrere Wochen hinweg hatten damals Zehntausende Spieler Plätze, Brücken und Parks in vielen großen deutschen Städten belagert, an denen es Kampf-Arenen, Poké-Stops oder besonders seltene virtuelle Monster zu fangen gab. Gemessen an der Größe der Potter-Fangemeinde könnte Wizards Unite genauso oder sogar noch erfolgreicher werden als der Vorgänger.

An der ersten Straßenecke trifft der Spieler auf Hagrid

Das Spielprinzip ähnelt Pokémon Go stark: Ausgangspunkt der App ist eine Karte, die sich an der realen Welt und am Standort des Spielers orientiert. Bestimmte Orte sind als Festungen, Gewächshäuser oder Wirtshäuser markiert, die der Spieler betreten kann, wenn er sich in der Nähe befindet. In Wirtshäusern kann man seine Zauberenergie wiederauffüllen, in Gewächshäusern finden sich Zutaten für Zaubertränke. In nächster Umgebung ploppen ständig farbige Symbole auf. Tippt der Spieler darauf, erscheint ein magischer Gegenstand, der von einem sogenannten Fundwächter bewacht wird. Dank Augmented-Reality (AR) sieht es auf dem Handybildschirm aus, als trample ein Troll durch den Stadtpark oder als schwebe eine Gruppe von Irrwichten zwischen parkenden Autos.

Bevor er ein gewünschtes Fundstück (etwa einen Schläger für die Zauberer-Sportart Quidditch) einsammeln kann, muss er zunächst den Fundwächter (zum Beispiel: einen Troll oder einen dunklen Zauberer) durch einen Fluch besiegen.

Die Ausgangslage des Spiels: Als Mitarbeiter des Zaubereiministeriums muss der Spieler verhindern, dass die Welt der Magier von der restlichen, nicht-magischen Bevölkerung (Potter-Jargon: Muggel) entdeckt wird. Eine unbekannte Macht versucht nun, das Geheimhaltungsstatut zu sabotieren, und macht damit die Arbeit der Nachwuchs-Zauberer ungleich schwerer. Die unbekannte Macht hat allerlei magische Gegenstände, Wesen und auch Zauberer in die Muggel-Welt verfrachtet. Diese muss der Spieler einsammeln. Gleich zu Beginn trifft er auf bekannte Figuren aus den Filmen der Reihe. An einer Straßenecke wird etwa Hogwarts' Wildhüter Hagrid von einem verzauberten Netz festgehalten.

Niffler, Mondkälber Drachenleber: In "Wizards Unite" gibt es viel zu entdecken

Dieses zerschneidet der Spieler mit einem Zauberspruch. Das geht in Wizards Unite ganz einfach: Das Spiel gibt eine passende Bewegung des Zauberstabs vor, die man mit dem Finger nachzeichnet. Gelingt das, wird der magische Gegenstand oder die Person zurück an ihren Ursprungsort in die magische Welt gezaubert.

Im Spiel gibt es für Harry-Potter-Fans jede Menge zu entdecken: In ihrer Umgebung finden Spieler Zutaten wie Bitterwurz oder Drachenleber, aus denen sie Zaubertränke brauen können. Sie stoßen auf Niffler oder Mondkälber, Kreaturen aus Rowlings jüngerem Roman "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" (2010).

In seinem Steckbrief für das Zaubereiministerium kann der Spieler sein Hogwarts-Haus und die Maße seines Zauberstabs angeben. Im weiteren Spielverlauf kann er sogar einen von drei Berufen auswählen: Auror, Zauberlehrer oder Magizoologe. Jeder Beruf bringt im Kampf mit dunklen Mächten oder Tierwesen gewisse Vor- und Nachteile. Diese Fülle an Inhalten bettet Wizards Unite zusätzlich in eine eigene Geschichte ein, die erzählt, wer hinter dem Chaos in der Welt der Zauberer steckt. Eine solche Handlung gab es in Pokémon Go nicht.

Spieler kritisieren: zu viel Text und pay-to-win

Diese komplizierte Handlung ist aber gleichzeitig auch eine der Schwächen des Spiels. Wizards Unite wirkt überladen. Bei jedem Fundstück muss der Spieler aufs Neue mehrfach tippen, um den Gegenstand in seine Sammlung aufzunehmen, Belohnungen entgegenzunehmen und Dialoge zum Beispiel zwischen Harry Potter und der Ministeriumsmitarbeiterin Constance Pickering zu lesen.

Technisch läuft Harry Potter Wizards Unite die meiste Zeit rund. Im SZ-Test kam es jedoch vor, dass sich das Spiel ab und zu aufhängte. Außerdem konnte in einigen Fällen eine Festung oder ein Wirtshaus nicht genutzt werden, obwohl sich der Spieler in unmittelbarer Nähe befand. Größtes spielerisches Manko ist aber das auf Mikrotransaktionen ausgelegte Geschäftsmodell. Zum Zaubern braucht der Spieler Zauberenergie, ein knappes Gut, das nur in Wirtshäusern und Gewächshäusern aufgefüllt werden kann. Alternativ kauft er sich neue Energie im In-App-Shop des Spiels. Online kritisieren viele Spieler Wizards Unite deshalb als sogenanntes pay-to-win; also dafür, dass Spieler bezahlen müssen, um schnell Fortschritte zu machen.

Bisher ist der große Hype um Harry Potter Wizards Unite ausgeblieben. Zahlen des Marktforschungsunternehmens Sensor Tower zufolge haben zwischen dem 20. und dem 23. Juni knapp drei Millionen Spieler die App installiert; bei Pokémon Go waren es 24 Millionen Installationen nach vier Tagen allein in den USA, Australien und Neuseeland. Das lässt sich auch auf den Straßen Münchens feststellen: Noch sammeln sich keine Menschenmassen an Orten wie dem BMW Museum - trotz neuerdings doppelter Fabelwesen-Belegung durch Pokémon Go und Wizards Unite.

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