Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:"Feiere, Boris"

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US-Präsident Trump setzt auf einen "massiven neuen Handelsdeal" mit Großbritannien.

Von Hans von der Hagen, München

Auch wenn der Ausgang der Wahlen zugunsten der Konservativen in Großbritannien zugleich ein klares Votum für den Austritt aus der Europäischen Union war: An den Finanzmärkten schockiert das keinen mehr. Im Gegenteil: Die Aussicht, dass nun wenigstens die Unsicherheit zunächst ein Ende habe, sorgte bei den Anlegern für prächtige Laune. Das Pfund stieg auf knapp 1,21 Euro - das ist der höchste Stand seit dreieinhalb Jahren. Auch die Aktien legten deutlich zu: Der Aktienindex FTSE-100, von den Briten zärtlich Footsie genannt, gewann 1,1 Prozent. Zu den großen Profiteuren zählten etwa die britischen Banktitel: Papiere der Royal Bank of Scotland schnellten um mehr als acht Prozent nach oben. Barclays gewannen gut sechs Prozent. Auch Baufirmen profitierten. Die Aktien von Taylor Wimpey schlossen 14,7 Prozent im Plus.

"Es ist zu erwarten, dass es jetzt schnell zu einer Einigung über den Brexit kommt", sagte der Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Clemens Fuest. Er geht davon aus, dass ein harter Ausstieg Großbritanniens aus der EU mit unkalkulierbaren Kosten zunächst abgewendet ist. "Für Entwarnung ist es trotzdem zu früh", sagte Fuest. Es werde schwer, innerhalb der Übergangsfrist bis Ende 2020 ein Freihandelsabkommen zu vereinbaren. Zudem bahne sich in Schottland ein zweites Referendum über die Unabhängigkeit an, das noch mal für Unsicherheit sorge.

Die deutsche Wirtschaft drängt nun auf neue Regeln im Umgang mit Großbritannien bis Ende 2020. "Jetzt müssen die EU und Großbritannien mit Hochdruck an einem Freihandelsabkommen arbeiten und bis zum Ende des Jahres zum Abschluss zu bringen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, Thilo Brodtmann. "Gelingt dies nicht, gehen die mit einem harten Brexit verbundenen Diskussionen und Unsicherheiten Ende 2020 wieder los. Das muss unbedingt vermieden werden."

Der Bundesverband der Deutschen Industrie lobte, dass sich der politische Nebel in London nun lichte. Aber: "Spätestens 2020 oder 2022 müssen die Verhandlungen zum zukünftigen Verhältnis abgeschlossen sein", forderte Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. "Auch wenn der Zeitplan sportlich ist, verlangt die deutsche Wirtschaft eine Lösung." Sonst drohe zu einem späteren Zeitpunkt doch noch ein harter Brexit.

Den europäischen Pessimismus teilt US-Präsident Donald Trump natürlich nicht: Großbritannien und die USA seien nun frei, um einen "massiven neuen Handelsdeal" abzuschließen, twittert er. "Dieser Deal hat das Potenzial, viel größer und lukrativer zu sein als jeder Deal, der mit der EU abgeschlossen werden könnte. Feiere, Boris."

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Quelle:
SZ vom 14.12.2019
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