Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:Klimaschutz ist eine Zumutung

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In dieser Woche stehen für den Grünen Deal der EU wichtige Entscheidungen an. Die Widerstände sind groß: Das ist ganz natürlich. Nötig sind Standhaftigkeit, Vertrauen in den Markt - und mehr Ehrlichkeit.

Von Björn Finke

Für das Weltklima hat eine sehr wichtige Woche begonnen. Eine Woche, die aber auch wieder zeigen wird, wie umstritten und schmerzhaft die EU-Klimapolitik ist. Nötig ist daher Standfestigkeit - doch an der bestehen ernste Zweifel. Los geht es an diesem Dienstag, wenn sich Europaparlament und Mitgliedstaaten endlich auf das Einsparziel bei Treibhausgasen für 2030 einigen wollen. Am Mittwoch will die Kommission direkt den nächsten kontroversen Rechtsakt präsentieren: ein Klassifikationssystem, das für jede Branche festlegt, welche Aktivitäten und Produkte klimafreundlich sind und welche nicht.

Diese Klarheit soll Managern von Öko-Fonds und umweltbewussten Anlegern helfen, passende Aktien zu finden - und so mehr Investitionen in den grünen Umbau der Wirtschaft lenken. Besonders heikel ist die Frage, wie die Kommission Gas- und Kernkraftwerke einstuft. Offenbar hat die Behörde diese Entscheidung nun ausgeklammert, da Konsens nicht in Sicht ist.

Doch vertagen macht nichts besser, und die Hasenfüßigkeit der Kommission lässt Böses ahnen für Juni. Dann will die Behörde gleich ein Dutzend Gesetzesvorschläge präsentieren, die sicherstellen sollen, dass die EU die hehren Treibhausgas-Einsparziele für 2030 tatsächlich erreicht. Solche Bemühungen sind anstrengend, sie kosten Geld, vielleicht auch Jobs, und entsprechend groß wird der Widerstand sein. Die Kommission muss das aushalten und ausfechten. Denn tolle Ziele zu formulieren ist keine Leistung - wichtig ist die Umsetzung. Das weiß jeder, der sich schon einmal zu Neujahr vorgenommen hat, endlich fünf Kilo abzunehmen.

Der Ehrgeiz kommt Verbraucher teuer zu stehen

Zugleich belegt all der Streit, dass die Wohlfühl-Rhetorik rund um den Grünen Deal der EU nicht ausreicht. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen redet gerne davon, dass dieses ambitionierte Klima- und Umweltschutzprogramm die Jobs der Zukunft schaffen werde; Europas Konzerne würden zu Vorreitern. Wenn alles gut läuft, könnte dies auf lange Sicht wirklich so sein. Zunächst aber werden zahlreiche Branchen und Regionen die verschärften Vorgaben als Zumutung empfinden: zum Beispiel Autohersteller, die auf Verbrennungsmotoren setzen, oder Gegenden, die von der Kohleverstromung leben.

Unternehmen werden viel in grünere Fabriken und Produkte investieren müssen - Geld, das dann für anderes fehlt. Firmen werden diese Kosten teilweise auf die Verbraucher abwälzen; Preise werden steigen. Die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen daher ehrlich gegenüber den Bürgern sein: Klimaschutz ist notwendig, doch er wird nicht zum Schnäppchenpreis zu haben sein - von Nulltarif ganz zu schweigen. Lasten und Chancen werden auch unterschiedlich verteilt sein. Den Verlierern der grünen Wende muss geholfen werden. Die 17,5 Milliarden Euro, welche die Kommission in ihrem Fonds für besonders betroffene Regionen vorsieht, sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Außerdem ist wichtig, die enormen Herausforderungen des Grünen Deals so effizient und günstig wie möglich anzupacken. Die EU sollte hier, soweit es geht, auf die Lenkungskräfte des Marktes vertrauen, anstatt eine grüne Planwirtschaft einzuführen. Unternehmer wissen besser als Bürokraten, wie sie Einsparziele am besten erreichen, und sie können schneller auf neue Technologien und veränderte Kundenwünsche reagieren.

Der Markt muss es richten

Zum Glück existiert bereits ein fantastischer Mechanismus: das Emissionshandelssystem. Kraftwerksbetreiber und große Industrien in Europa benötigen Kohlendioxid-Zertifikate, wenn sie Klimagase in die Luft blasen. Senken sie den Ausstoß, können sie überzählige Zertifikate verkaufen - an Firmen, die weniger klimafreundlich produzieren. Treibhausgase erhalten dadurch einen Preis; Manager kalkulieren die Emissionen mit ein und versuchen, sie so günstig wie möglich zu verringern. Die EU sollte viel mehr Branchen in dieses Handelssystem einbeziehen. Das ist im Zweifel wirkungsvoller, als einzelnen Branchen detaillierte Grenzwerte vorzuschreiben.

Zudem führt wohl kein Weg an dem sogenannten Grenzausgleichsmechanismus vorbei - einer Art neuem Import-Zoll auf solche Produkte, die auf anderen Kontinenten klimaschädlicher hergestellt werden als in der EU. Dies soll verhindern, dass Unternehmen wegen des Grünen Deals Produktion aus Europa wegverlagern. Und es soll ein Anreiz sein für andere Wirtschaftsmächte wie China, selbst die Klimaschutz-Regeln zu verschärfen. Das ist bitter nötig; schließlich steht die EU für weniger als ein Zehntel des globalen Ausstoßes an Treibhausgasen. Europa alleine kann das Klima nicht retten.

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