Süddeutsche Zeitung

Golfstaat:Handelspartner Saudi-Arabien - unwichtiger als man denkt

Lesezeit: 3 min

Von Karl-Heinz Büschemann und Christoph Giesen

Riad war im vergangenen Jahr beliebtes Ziel deutscher Politiker. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) war mit einer großen Delegation im Königreich Saudi-Arabien . Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hielt es für richtig, den Saudis einen Besuch abzustatten. "Die Golfregion ist für Bayern ein wichtiger Zukunftsmarkt", war die Erklärung des Landeschefs für seine Reise. Auch Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) ließ sich dort begrüßen, auch er hat seine Gründe, in das Land zu reisen, das lange als strategischer Partner Deutschlands galt. Etwa ein Viertel der deutschen Exporte nach Saudi-Arabien kommen aus Baden Württemberg, ein großer Teil davon sind Stuttgarter Luxusautos mit dem Stern. Da gilt es, gute Beziehungen zu dem Königreich im Nahen Osten zu halten, obwohl es im Westen zunehmend für seine fragwürdige Menschenrechtspolitik gescholten wird.

Deutsche Firmen schätzen Saudi-Arabien, den größten Ölproduzenten der Welt, als solventen Kunden. Sie liefern an erster Stelle Maschinen, vor allem für die petrochemische oder die Metall verarbeitende Industrie. Deutsche Autohersteller rangieren auf Platz zwei der Exporteure, gefolgt von der Lebensmittelindustrie. Die Exporteure konnten sich im gerade abgelaufenen Jahr nach Schätzungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) über einen auf zehn Milliarden Euro gestiegenen Export nach Saudi-Arabien freuen. Das ist ein Plus von zehn Prozent; Volker Treier, der Außenwirtschaftsexperte des DIHK, rühmt das Land, das 2015 "eine der wenigen positiven Exportüberraschungen" gewesen sei.

Siemens am stärksten vertreten

Das mit Abstand am stärksten vertretene deutsche Unternehmen dürfte Siemens sein. Der Münchner Konzern hat etwa 2000 Beschäftigte im Land. Siemens liefert Medizingeräte, baut an der Stromversorgung des Landes mit. Der Konzern liefert Dampfturbinen für Kraftwerke und hilft mit einem Riesenauftrag von 2,1 Milliarden Dollar beim Bau einer fahrerlosen U-Bahn in Riad. Nur reden wollen die Münchner nicht über den heiklen Geschäftspartner. Ein Sprecher sagt: "Als Unternehmen äußern wir uns grundsätzlich nicht zu politischen Entwicklungen."

Ähnlich still agieren andere. Das Leverkusener Chemieunternehmen Lanxess hat erst kürzlich die Zusammenarbeit mit einer Tochterfirma des staatlichen saudischen Ölkonzerns Aramco vereinbart. Die Deutsche Bahn baut an einer Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke im Westen des Landes mit. Eine Tochter des Airbus-Konzerns errichtet zum Schutz der gesamten Außengrenze des Landes ein 9000 Kilometer langes elektronisches Sicherheitssystem, mit dem sich die Saudis vor Terroristen schützen wollen. Aber deutsche Firmen liefern nicht nur nach Saudi-Arabien. Sie produzieren auch in dem Land und haben inzwischen Anlagen für acht Milliarden Euro aufgebaut. Dabei soll es nicht bleiben. "Wir wünschen uns deutlich mehr", sagte der saudische Handels- und Industrieminister Tawfiq bin Fawzan Al Rabiah im vergangenen Sommer bei einem Besuch in Berlin. "Ich will den bilateralen Handel weiter ankurbeln."

Die politische Entwicklung könnte die Wirtschaftsbeziehungen, die stets ein wenig im Verborgenen gehalten werden, verändern. Zumindest gehen denjenigen die Argumente aus, die Handel mit Saudi-Arabien für entscheidend in der deutschen Wirtschaft halten. Dass die Bundesregierung sich heute über Saudi-Arabien vorsichtiger äußert als früher, wird bei den Unternehmen aufmerksam registriert.

Bisher geringe Lieferungen nach Saudi-Arabien

Schon bisher sind die Lieferungen von Deutschland in das Königreich vergleichsweise gering. Im Jahr 2014 rangierte Saudi-Arabien an 26. Stelle in der deutschen Außenhandelsstatistik. Die Exporte nach Saudi-Arabien machen nur etwa ein Prozent der deutschen Lieferungen ins Ausland aus. Bei den Importen sieht es noch schlechter aus. Saudi-Arabien befindet sich nicht einmal unter den 50 wichtigsten Lieferländern der Deutschen. Diese decken ihren Rohölbedarf vor allem in Russland und Norwegen sowie in Nordafrika. Als Triebfeder für die deutsche Wirtschaft können sich die Saudis kaum verstehen.

Zudem verliert Saudi-Arabien in der Weltwirtschaft an Bedeutung. Die Nachfrage nach Öl geht weltweit zurück. Die Amerikaner, die lange der größte Ölimporteur der Welt waren, brauchen die Saudis nicht mehr als Lieferanten. Sie holen das Öl mit neuen Techniken inzwischen aus dem eigenen Boden. "Die wachsende Abkehr vom Öl schwächt die Position von Saudi-Arabien im Ölmarkt", sagt die Energieexpertin des Berliner DIW, Claudia Kemfert.

Bei der deutschen Wirtschaft geht inzwischen die Furcht um, die jüngsten Massenhinrichtung und die wachsenden Spannungen mit dem Nachbarn Iran könnten die Geschäfte mit Saudi-Arabien beeinträchtigen. "Es besteht die Gefahr, dass wir in die Mühlsteine der Politik geraten". sagt der DIHK-Vertreter Treier. "Wir befürchten, dass der Handel jetzt leiden wird."

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SZ vom 05.01.2016
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