Süddeutsche Zeitung

Gold als Kapitalanlage:Geld der Pessimisten

Ein Krisenmetall, das von seinem Mythos lebt: Gold ist unproduktives Kapital, das schwer im Tresor liegt und sich nicht verzinst. Die Hoffnung der Anleger trügt, mit Gold ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen. Denn beim ungleichen Kampf mit Spekulanten können kleine Privatanleger oft nur den Kürzeren ziehen.

Ein Kommentar von Silvia Liebrich

Es herrscht Katerstimmung am Goldmarkt. Der Absturz des Edelmetalls an den Rohstoffmärkten löst bei Anlegern Panik aus. Zumindest bei jenen, die fest daran geglaubt haben, dass der große Boom einfach so weiter geht. Doch die Preiskurve zeigt ein ganz anderes, ein ernüchterndes Bild. Allein seit vergangenen Freitag hat Gold elf Prozent an Wert verloren - und dabei wird es vermutlich nicht bleiben. Das ist jedoch kein Grund zum Verzweifeln. Denn ein sinkender Goldkurs ist in diesem Fall ein positives Zeichen. Es macht deutlich, dass Anleger wieder optimistischer in die Zukunft blicken. Sie gehen davon aus, dass sich die Weltwirtschaft von ihrem Tief erholt und Europa seine Schuldenkrise bewältigen kann. Immer mehr Investoren ziehen deshalb ihr Geld aus dem Goldmarkt ab und legen es in Aktien an. Aktienindizes wie der amerikanische Dow Jones und der deutsche Dax haben zuletzt Rekordstände erreicht.

Trotzdem trifft der Absturz vor allem Kleinanleger unvorbereitet. Was sich hinter den Kulissen der Finanzwelt seit Monaten bereits abzeichnet, sickert nur langsam durch. Es ist kein Zufall, dass große Investmentbanken wie Goldman Sachs, UBS und andere erst vor wenigen Tagen - fast im Gleichklang - ihre Prognosen für den Goldpreis gesenkt haben. Wenn das geschieht, haben die Geldhäuser ihre eigenen Schäfchen in der Regel in Sicherheit gebracht. Das heißt, sie haben einen wesentlichen Teil ihrer Goldanlagen bereits verkauft. Das gilt auch für die Wall-Street-Legende George Soros, der erst vor wenigen Tagen die gewagte Prognose abgab, das Edelmetall werde weiter auf hohem Niveau notieren. Dabei hat seine Investmentfirma ihren Bestand an dem Edelmetall schon vor einigen Monaten erheblich reduziert.

So richtig in Fahrt kam die Verkaufswelle bereits zu Beginn des Jahres. Verschwiegene Hedge Fonds und Großspekulanten haben den Anfang gemacht. Die müssen zwar der amerikanischen Börsenaufsicht SEC melden, wenn sie größere Positionen an Goldfonds auflösen, die in New York gelistet sind. Aber nicht gleich, sondern mit einer Zeitverzögerung von bis zu vier Monaten. Tatsache ist, dass alle maßgeblichen Goldfonds seit Jahresanfang einen sehr starken Mittelabfluss verzeichnen. Es liegt auf der Hand, dass eine so fundamentale Veränderung über kurz oder lang den Goldpreis massiv drücken muss. Dieser Fall ist nun eingetreten.

Keine Regierung dieser Welt wird den Goldpreis stützen

Zum Spiel an den Börsen gehören immer auch hektische Erklärungsversuche. Die meisten greifen zu kurz oder zielen am Kern des Problems vorbei. So wird in einschlägigen Internetforen derzeit heftig darüber debattiert, ob die EU-Regierung eine Mitschuld am Absturz trägt, weil sie Zypern zwingen will seine Goldreserven abzustoßen - das Land soll damit zumindest einen Teil seiner hohen Schulden begleichen. Schaut man sich die Mengen an, um die es geht, zeigt sich, wie absurd dieser Gedanke ist. Insgesamt steht im Fall Zypern die geringe Menge von zehn Tonnen Gold zur Debatte. Zum Vergleich: Deutschlands Reserven liegen bei 3400 Tonnen. Beispiele solch hilfloser Erklärungsversuche gibt es viele, und sie stiften meist nur Verwirrung.

Kleinanleger, die sich jetzt Gedanken darüber machen, ob sie weiter auf Gold setzen, sollten sich vor allem über eines im Klaren sein: Gold ist und bleibt ein Krisenmetall, das von seinem Mythos lebt. Unproduktives Kapital, das schwer im Tresor oder gar unter dem Kopfkissen liegt und sich nicht verzinst. Wer trotzdem in das Edelmetall investiert, ist überzeugt davon, dass die Weltwirtschaft auf einen Abgrund zusteuert. Mit Gold hoffen Anleger, ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen - eine trügerische Hoffnung. Genau diese Furcht machen sich die Spekulanten und Großinvestoren zunutze, wenn sie auf fallende oder steigende Goldnotierungen setzen. Bei diesem ungleichen Kampf können kleine Privatanleger oft nur den Kürzeren ziehen.

Völlig falsch wäre es auch zu erwarten, dass sich irgendeine Notenbank oder Regierung dieser Welt dafür einsetzen wird, den Goldpreis zu stützen. Dafür besteht auch keine Notwendigkeit. Gold hat seine Funktion als Währung längst eingebüßt. Der Goldstandard hat sich als stabilisierendes Element in der Währungspolitik nicht bewährt. Er war Ursache für fatale Weltwirtschaftskrisen und wurde zurecht außer Kraft gesetzt. So gesehen ist der Absturz des Goldpreises für einige Anleger zwar schmerzhaft. Aber für die Gemeinschaft ist es viel wichtiger, dass totes Kapital aus dem Goldmarkt zurück in die Aktienmärkte fließt. Es ermöglicht so Investitionen und sorgt für Wachstum. Aktien sind die Währung der Optimisten, Gold bleibt das Kapital der Pessimisten.

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Quelle:
SZ vom 16.04.2013/kjan
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