Süddeutsche Zeitung

Schuhhändler:Görtz meldet Insolvenz an

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Überraschend wird der bekannte Schuhverkäufer zum Sanierungsfall. Selbst Staatshilfe in Millionenhöhe hat den Händler nicht retten können. Das Ende der Kette muss das aber nicht sein.

Von Michael Kläsgen

Wie leicht sich auch Profis täuschen können. "Schuhe werden immer gebraucht", sagte vor wenigen Tagen noch Fritz Terbuyken, ein in der Branche bekannter Fachmann, dem Branchenblatt Textilwirtschaft. Doch es kommt wohl darauf an, welche, muss man nun rückblickend sagen. Die von Görtz offenbar leider nicht so sehr. Der Filialist mit seinen 160 Geschäften in Deutschland und Österreich ist der erste namhafte Schuhhändler, der nun zum Sanierungsfall geworden ist. Görtz meldete Insolvenz in Eigenverwaltung an, das Amtsgericht Hamburg genehmigte den Antrag.

Das kommt auch für Branchenkenner überraschend. Dass Modehändler spätestens im Herbst ins Straucheln geraten könnten, damit rechnen nach wie vor einige von ihnen. Aber die meisten denken da eher an Modehändler im Textilbereich, die seit Jahren notleiden - und nicht so sehr an Schuhe. Die brauchen die Menschen ja angeblich immer. Andererseits hatte sich Görtz-Chef Frank Revermann erst vor ein paar Tagen in Andeutungen ergangen, die ebenfalls im Rückblick vielsagend erscheinen. "Wir sind kein Museum. Die Ware kann nicht liegen bleiben", sagte er Mitte August auch der Textilwirtschaft. Gegenüber dem Spiegel deutete er an, Filialen schließen zu wollen, "wenn die Kaufzurückhaltung weiter anhält". Und die hält weiter an.

Das Unternehmen begründet die Konsumflaute mit dem Ukraine-Krieg. Dieser habe "mit den gestiegenen Energiekosten und der starken Inflation zu einer erheblichen Verunsicherung der Kundinnen und Kunden geführt". Die Folge: Erstens "Kaufzurückhaltung", zweitens "deutliche Umsatzrückgänge".

Hinzu kommt, dass Görtz schon vor Ausbruch des Ukraine-Krieges unter den Folgen der Corona-Pandemie litt. Laut Bundesanzeiger brach der Umsatz im ersten Corona-Jahr 2020 um mehr als 20 Prozent auf knapp 199 Millionen Euro ein. Unterm Strich stand ein Verlust von mehr 30 Millionen Euro. 2021 erhielt Görtz dann Staatshilfe in Höhe von 22 Millionen Euro. Zusätzlich bekam der Händler vom Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes ein Nachrangdarlehen in Höhe von 28 Millionen Euro. Doch die Hilfen reichten nicht aus.

Görtz versuchte es zuletzt mit Sonderangeboten. Denn wegen der anhaltend miesen Kauflaune waren offenbar nur wenige Kundinnen und Kunden bereit, Schuhe zum vollen Verkaufspreis zu erwerben. Daher entschloss sich Görtz zu Rabattaktionen. Dadurch floss zwar Geld in die Kassen, um die teils hohen Ladenmieten zu zahlen, aber viel mehr auch nicht.

Die Insolvenz in Eigenverwaltung bietet Görtz nun den Vorteil, sich zu sanieren, Kosten zu reduzieren und sich aus Zahlungsverpflichtungen zu befreien. Mietverträge können nun leichter gelöst werden. Die Bezahlung der 1800 Mitarbeiter übernimmt in den kommenden drei Monaten die Bundesagentur für Arbeit. Die Marke bleibt aber erhalten, ebenso wie das Management, dem ein Sachwalter an die Seite gestellt wird. Auch die Läden bleiben geöffnet. Das Geschäft in den Lagern und der Logistik läuft uneingeschränkt weiter. Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist nicht das Ende der Kette. Wenn alles gut läuft, könnte das 1875 gegründete Unternehmen sogar finanziell solider aus der Krise hervorgehen.

Das wäre sicher im Interesse der Gründerfamilie. Diese hat die Mehrheit der Anteile am Unternehmen erst 2020 wieder übernommen - von einem Finanzinvestor. Der war 2014 als Retter in der Not eingesprungen. Schuhe scheinen doch nicht so krisensicher zu sein.

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