Süddeutsche Zeitung

Gleichberechtigung:Mutterschutz für alle!

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Zur Freiheit von Unternehmern gehört auch das Risiko, das eingesetzte Geld zu verlieren. Doch bei der Schwangerschaft muss Schluss sein. Es ist nicht nur eine Frage der Gleichberechtigung, Frauen im Mutterschutz abzusichern.

Kommentar von Helena Ott

Als junge Frau hat man in der Arbeitswelt die Wahl zwischen Regen und Traufe, zwischen Arbeitnehmerdasein und der Selbständigkeit. Wieso beides keine optimalen Perspektiven sind? Nun, die Aussicht als Arbeitnehmerin ist: ein im Vergleich zu Männern meist geringerer Verdienst und die oft andauernde Diskriminierung, ob im Bewerbungsverfahren oder bei Führungspositionen. Die Frau kann ja schwanger werden, was viele Arbeitgeber als Risiko empfinden. Klingt unattraktiv? Dann gibt es ja noch Möglichkeit zwei: Man macht sich mit einem eigenen Projekt selbständig, arbeitet hart, stellt vielleicht Mitarbeitende an.

Doch bei der zweiten Option gibt es ein großes Risiko: Was tun, wenn man schwanger wird? Als Selbständige hat man nicht einmal Anspruch auf 14 Wochen Mutterschutz wie es Angestellten zusteht, denn Selbständige bekommen in Deutschland in den drei Monaten um die Geburt null Euro Mutterschaftsgeld. Bei vielen laufen zudem noch Fixkosten weiter und so stehen viele bis kurz vor der Geburt noch mit kugelrundem Bauch in der Werkstatt, auf Terminen oder im Geschäft.

Eine Tischlermeisterin aus Niedersachsen, Johanna Röh, hat diese aus vielen Gründen prekäre Situation endlich in die Bundespolitik eingebracht. Ihre Forderung: gleichberechtigter Mutterschutz auch für Selbständige. Das Quorum von 50 000 Stimmen ist weit übererfüllt. Nun musss der Petitionsausschuss die Initiatorinnen zu einer Anhörung einladen.

Die Abgeordneten sollten die Forderungen der Selbstständigen sehr ernst nehmen. Denn zuvorderst geht es um die Gesundheit von Schwangeren und Neugeborenen. Die meisten Selbständigen können sich eben nicht aussuchen, wie lange sie um die Geburt pausieren. Nicht, weil sie schlecht wirtschaften, sondern weil die Gewinne gerade in den Anfangsjahren eben nicht derart groß sind, dass sie drei Monate Auszeit finanzieren, auch wenn "Selbständigkeit" für viele schick klingt.

Eine Schwangerschaft ist keine Investitionsentscheidung

In Deutschland arbeiten eine Millionen Frauen auf eigene Rechnung. Über die Hälfte davon ist solo-selbständig, beispielsweise als Fotografin, Künstlerin oder Veranstaltungstechnikerin. Von den anderen leiten viele Kleinstbetriebe: als Floristin, Ärztin, Anwältin, Friseurin, Physiotherapeutin, Architektin oder Handwerkerin. Sie alle bekommen ihr erstes Kind oft in einer Zeit, in der sie viel investieren müssen und noch kaum Gewinn fließt.

Offensichtlich teilen viele dieser Frauen die Forderung der Tischlermeisterin Johanna Röh nach einem Mutterschutz für Selbstständige. Im Netz posten sie Fotos von sich, hochschwanger am Arbeitsplatz. Und schreiben bedauernd, wie sie ihre Selbständigkeit aufgegeben haben beim ersten Kind - wegen der finanziellen Unsicherheit. Das sei eben unternehmerisches Risiko, erwidern Kritiker sogleich. Selbständige dürften schließlich die Gewinne ihre Unternehmens für sich behalten. Diese Haltung unterschlägt nicht nur die Steuerzahlungen, sondern ist auch noch frauenfeindlich: Denn eine Schwangerschaft ist nun mal keine Investitionsentscheidung. Das vermeintliche unternehmerische Risiko, das hier bemüht wird, ist allein das Risiko des gebärenden Geschlechts und das hat man sich nicht ausgesucht.

Frauen müssen endlich, die gleiche Chance haben zu gründen

Eigentlich geht das Argument ja andersherum, es ist der dritte große Punkt, der für einen Mutterschutz für Selbstständige spricht: Solange eine solche Absicherung fehlt, werden Frauen davon abgehalten ihre Geschäftsideen umzusetzen. In Summe sind fast doppelt so viele Männer selbständig, bei Start-up-Gründungen liegt die Quote sogar bei 10:1 - zugunsten der Männer. Das kann sich Deutschland nicht leisten, egal ob es um die Nachfolge in Handwerksbetrieben geht oder Innovationen. Es ist ein Jammer wie viel ungenutztes Potenzial derzeit auf der Strecke bleibt.

Bleibt nur noch die berechtigte Frage, wer die 14 Wochen Verdienstausfall bezahlen soll. Bei Angestellten macht das mit 13 Euro pro Tag die Krankenkasse, der Rest wird von den Arbeitgebern beglichen. Selbständige sind ihr eigener Chef, hier sollte der Staat einspringen, um den Verdienstausfall abzufedern. Denkbar wäre, dass die Krankenkasse wie bei Angestellten 13 Euro pro Tag zahlt und das Familienministerium aufstockt. Dann hätten Frauen eine gute Perspektive - und das Land auch.

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