Süddeutsche Zeitung

Geplantes Gesetzespaket:Bundesregierung will Lebensversicherer unterstützen

Lesezeit: 3 Min.

Die Zinsen sind niedrig, das macht den Lebensversicherern zu schaffen. Die Bundesregierung plant deshalb ein Gesetzespaket, um ihnen zu helfen. Kunden, deren Verträge bald auslaufen, könnte das empfindlich treffen, weil eine bislang übliche Beteiligung an den sogenannten Bewertungsreserven wegfallen soll. Im Gegenzug verlangt Berlin aber auch Opfer von der Branche.

Von Herbert Fromme, Köln, und Claus Hulverscheidt, Berlin

Die Bundesregierung will nach Informationen der Süddeutschen Zeitung binnen weniger Wochen ein Hilfspaket für die Lebensversicherer auf den Weg bringen. Die Verabschiedung könnte Versicherte, deren Verträge in diesem Jahr auslaufen oder die kündigen, mehr als zwei Milliarden kosten. Allerdings muss die Branche damit rechnen, dass sie im Gegenzug einige Kröten schlucken muss. Zum Gesamtpaket gehören auch die Absenkung der maximalen Garantieverzinsung sowie eine Obergrenze für Provisionen.

Das Bundesfinanzministerium bestätigte, dass derzeit ein größeres Paket mit Änderungen für Lebensversicherungskunden und -anbieter vorbereitet wird. "Sowohl beim Thema Bewertungsreserven als auch beim Garantiezins und einigen anderen Dingen gibt es Änderungsbedarf", sagte eine Sprecherin. Details würden noch ausgehandelt.

Kernpunkt ist die von der Versicherungsbranche lautstark geforderte Änderung der Regeln, nach denen die Kunden bei Kündigung oder regulärem Ablauf zur Hälfte an den Bewertungsreserven beteiligt werden. Seit 2008 steht ihnen die Hälfte dieser nur auf dem Papier stehenden Gewinne zu, 2013 waren das rund drei Milliarden Euro. Bei kleinen Verträgen beläuft sich diese Sonderzahlung nur auf einen dreistelligen Betrag, bei größeren Policen kann die Summe aber auch deutlich höher liegen und 10 000 oder 15 000 Euro erreichen. Diese Beteiligungen müssten die Versicherer nicht mehr auszahlen, wenn die große Koalition ihr Vorhaben umsetzt.

Die Regierung plant nach jetzigem Diskussionsstand, den Tag der Verabschiedung des Gesetzentwurfes im Kabinett zum Stichtag zu machen - das könnte noch im März sein. Nur Kunden, deren Verträge dann ausgelaufen sind oder die vorher gekündigt haben, kämen dann noch in den Genuss der Bewertungsreserven.

Allerdings kann kaum ein Kunde abwägen, ob die Kündigung für ihn wirklich das Beste wäre, denn dabei verliert er in vielen Fällen Schlussgewinnanteile. Zahlreiche Versicherte dürften in den kommenden Tagen bei den Gesellschaften den Stand der Bewertungsreserven und der möglichen Schlussgewinnanteile abfragen.

Bewertungsreserven entstehen, wenn die Marktpreise von Wertpapieren höher sind als ihr Buch- oder Anschaffungswert. Mitte 2013 hatten die Lebensversicherer Bewertungsreserven von 62 Milliarden Euro in den Büchern. Der Grund sind die niedrigen Zinsen. Die Gesellschaften legen langfristig an und haben deshalb viele Anleihen mit vergleichsweise hohen Zinsen im Bestand, die sie vor fünf bis zwölf Jahren gekauft haben und die heute - wegen der aktuell niedrigen Zinsen - deutlich mehr wert sind. Die Versicherer argumentieren, die Auszahlung der Hälfte der Reserven an ausscheidende Kunden sei ungerecht, weil die verbleibenden mit weniger Rendite auskommen müssten - diesem Argument schließt sich die Regierung an.

Allerdings verschweigt die Branche, dass sie die Milliarden vor allem deshalb nicht ausschütten will, weil sie durch die Niedrigzinsen unter Druck ist.

Das Thema ist heikel: 2012 hatte die Koalition aus Union und FDP schon einmal versucht, mit extrem kurzer Frist das Gesetz zu ändern. In der Folge schafften verärgerte CDU-Mitglieder es, dass sich der CDU-Parteitag mit einer Resolution gegen den Plan stellte. Schließlich sorgten die unionsgeführten Bundesländer Bayern und Niedersachsen dafür, dass der Bundesrat die Änderung ablehnte, die vom Bundestag schon beschlossen war.

Diesmal wollen es die Finanzpolitiker der großen Koalition besser machen und von der Versicherungsbranche im Gegenzug Opfer verlangen. Der Hauptpunkt: Die Gewinnverteilung zwischen Kunden und Eignern soll zugunsten der Kunden verändert werden. Außerdem werden die Lebensversicherer verpflichtet, die eingesparte Beteiligung an den Bewertungsreserven nicht für Auszahlungen an Aktionäre und nicht für Vertriebsaktionen zu verwenden.

Auch der Versicherungsvertrieb soll einen Teil der Lasten tragen. Deshalb wird in der Koalition über eine Verlängerung der Haftungszeiten für Vermittler gesprochen, innerhalb derer sie Provisionen bei Kündigung durch den Kunden zurückzahlen müssen. Generell gilt: Je länger die Haftungszeit, desto größer der Anreiz für den Vermittler, wirklich im Kundeninteresse zu beraten und nicht wegen kurzfristig erzielbarer Provisionen.

Auch über eine Höchstgrenze für Provisionen wird in Berlin nachgedacht. Im Gespräch sind 3,5 Prozent oder drei Prozent der vom Kunden gezahlten Beiträge. Großvertriebe wie der vom CDU-nahen Finanzmanager Reinfried Pohl geführte DVAG hätten bei einem Limit von drei Prozent wahrscheinlich rasch Existenzprobleme.

Nicht zuletzt wollen Union und SPD die Befugnisse der Bafin gegenüber den Lebensversicherern ausbauen, und den höchstens erlaubten Garantiezins in der Lebensversicherung von heute 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent ab dem Jahr 2015 senken. Das dürfte die Lebensversicherung als Anlageprodukt noch unattraktiver machen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1908126
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.03.2014
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.