Süddeutsche Zeitung

Generali Deutschland:Versicherer belohnt fittere Kunden

Lesezeit: 3 min

Von Claudia Wanner und Herbert Fromme, London/Köln

150 Kalorien enthält ein großer Caffè Latte von Starbucks; die 3,5 Gramm gesättigter Fettsäuren entsprechen einem Fünftel der empfohlenen Tagesmenge. Nicht gerade ideal für einen gesunden Lebenswandel - doch ausgerechnet dieses Getränk lobt die britische Tochter des südafrikanischen Versicherers Discovery zusammen mit Kino-Gutscheinen als Anreiz für seine Kunden in Großbritannien aus, damit sie sich mehr bewegen. "Das widerspricht der Intuition, ich weiß", sagt James Baker, Leiter der Abteilung Insight bei dem Versicherer. "Aber jeder hat im Kopf, dass ein Kino-Ticket acht Pfund kostet, der monetäre Anreiz ist eindeutig."

Die Idee, Kunden zu einem gesunden Lebensstil anzuhalten und sie im Gegenzug mit günstigeren Tarifen und zusätzlichen Extras zu belohnen, ist nicht neu. Doch der Fortschritt bei Fitness-Trackern, Herzfrequenzmessern und vielen weiteren Gesundheits-Technik-Accessoires macht es jetzt möglich, direkt auf diese Daten zuzugreifen und sie in die Berechnung von Versicherungstarifen einfließen zu lassen.

"Jeder Schritt zählt"

Der südafrikanische Versicherer Discovery hat daraus mit der Marke Vitality ein Paket gebastelt. Unterstützung liefert der deutsche Rückversicherer Hannover Rück. Für Kontinentaleuropa hat sich der italienische Generali-Konzern die Rechte gesichert - und beginnt damit in Deutschland. Ab Juli können Kunden Vitality-Tarife bei der Generali kaufen, später soll auch die private Krankenversicherung hinzukommen. Das Prinzip: Wer durch Joggen, Besuche im Fitness-Studio und den Einkauf als gesund angesehener Produkte nachweist, dass er etwas für sich tut, erhält Prämien und einen Preisnachlass.

In Deutschland ist das Modell hoch umstritten. Eine "Gesundheitsdiktatur" sieht die Schriftstellerin Juli Zeh heraufziehen. Verbraucherschützer und Politiker äußern eine Vielzahl von Bedenken, es geht um Nachteile für chronisch Kranke bis hin zu Fragen der Informationssicherheit.

Doch der britische Vitality-Manager Baker ist von seinem Angebot überzeugt. "Die Zahlen sprechen für sich", sagt er. Seit der Einführung vor mehr als einem Jahr hat sich bereits ein Drittel der Kunden dafür entschieden, die Bewegung kontrollieren zu lassen. Die Anzahl der Versicherten, die die Hürde zu den "active rewards", also speziellen Bonusprogrammen, genommen hat, ist binnen sieben Monaten um das Zweieinhalbfache gestiegen.

Dabei darf der Versicherer die Latte nicht zu hoch legen, glaubt Baker. Es gehe darum, die Kunden zu einem aktiveren Lebensstil anzuhalten, ihr Verhalten langsam zu ändern und Anreiz für Bewegung zu schaffen. "Jeder Schritt zählt, es muss keineswegs immer ein Marathon sein." Nach diesem Muster können Vitality-Kunden mit einem Schrittzähler oder einer Smartwatch Punkte sammeln. 7 000 Schritte am Tag bringen drei Punkte, 12 500 Schritte schon zehn Punkte, genau wie ein Besuch im Fitness-Studio. Neun Punkte in der Woche sichern den kostenlosen Starbucks-Kaffee.

Wer regelmäßig genug Punkte sammelt, gelangt in eine höhere Kategorie. Das System staffelt Bronze, Silber, Gold und Platin-Kunden, in anderen Ländern Diamant genannt. Wer gut für seine Gesundheit sorgt, kann so bis zu 100 Pfund (129 Euro) Prämienrückerstattung im Jahr erreichen. Für besonders aktive Versicherte reduzieren sich die Prämien jedes Jahr um ein Prozent, während wenig Aktive zwei Prozent mehr zahlen müssen.

Zusätzlich locken weitere Anreize, vor allem Preisnachlässe bei Partnern, etwa für die Mitgliedschaft in bestimmten Fitness-Ketten, in Südafrika ist Vitality inzwischen zum richtigen Lifestyle-Produkt avanciert, sagt Claude Chèvre, Vorstand bei der Hannover Rück. "Der Versicherer Discovery hat rund zwei Millionen Mitglieder bei Vitality", sagt Chèvre. "Wenn da jemand auf der Party sagt, dass er den Diamant-Status hat, gilt er als cooler Typ."

Hannover Rück unterstützt als Rückversicherer die Weiterentwicklung und die Einführung von Vitality - und kennt die Zahlen. Das Programm hat eine unmittelbar positive Wirkung für die Versicherer, sagt Chèvres Vorstandskollege Klaus Miller. Beispiel Risikolebensversicherung, mit der Menschen Angehörige oder Darlehensgeber gegen ihren plötzlichen Tod absichern: Hier haben die Versicherer die Sterblichkeitswahrscheinlichkeit von Vitality-Kunden mit der von anderen Versicherten verglichen.

Niedrigere Sterblichkeit

Das Ergebnis: Die Mitglieder von Vitality, die einfach nur den Vertrag unterschrieben und noch keine Fitness-Maßnahmen ergriffen haben, weisen im Vertragszeitraum eine um 20 Prozent niedrigere Sterblichkeit auf als die Standard-Versicherten. Das hat also nichts mit sportlicher Aktivität zu tun, sondern damit, dass sich nur bestimmte Kunden in das Programm trauen. "Es versichern sich in dem Programm eher Menschen, die ohnehin eine bessere durchschnittliche Sterblichkeit haben als die übrigen", erläutert Miller. Für Kunden, die aktiv sind und sich einen bestimmten Punktestand sichern, können die Versicherer eine noch geringere Sterblichkeit von unter 50 Prozent des Normalwerts nachweisen. Auch hier liegt das nur zum Teil an den Fitness-Maßnahmen, sondern eher daran, dass Vitality vor allem Menschen anspricht, die auch vorher schon einiges für ihre Gesundheit getan haben.

Miller nennt einen weiteren für die Versicherer äußerst positiven Faktor . Bei Kunden, die sich ohne besondere Aktivität bei Vitality einfach nur einschreiben, liegen die Kündigungsquoten rund zehn Prozent unter den sonst üblichen. "Aber wenn man dann aktiv wird, würde man natürlich bei einer Kündigung alle Vorteile verlieren, und wenn es nur die drei Gutscheine für Starbucks sind", erläutert Miller. Die Folge: Aktive Kunden bleiben.

Für einen Versicherer bedeuteten diese Zahlen, dass er 20 Prozent der Prämie als zusätzlichen Gewinn verbuchen kann, rechnet Miller vor. "Discovery kann die Police für 90 Prozent des normalen Preises anbieten und trotzdem noch einen zusätzlichen Gewinn von zehn Prozent der Prämie verdienen."

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Quelle:
SZ vom 21.06.2016
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