Süddeutsche Zeitung

Geldwäsche:Überforderte Fahnder

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Kriminelle haben es in Deutschland viel zu leicht, Ermittlungsbehörden dagegen viel zu schwer. Letztere haben zu wenig Personal, um effektiv gegen die Betrüger vorzugehen. Die Lücken füllen derzeit Aushilfen - oder sie bleiben leer.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Auf dem deutschen Immobilienmarkt wird viel Geld gewaschen. Darauf weisen Experten schon lange hin. Daher müssen neben den Banken auch Notare und Immobilienmakler eine Geldwäscheverdachtsmeldung machen, wenn ihnen der Kauf oder Verkauf eines Hauses komisch vorkommt. Diese Meldungen gehen zur Financial Intelligence Unit (FIU), einer Abteilung des Zolls, die seit 2017 die eingehenden Anzeigen prüft und, wenn sich der Verdacht erhärtet, an die Ermittlungsbehörden weitergibt. Insgesamt erreichten die Behörde 2018 knapp über 77 000 dieser Verdachtsmeldungen, meldete die FIU am Dienstag in ihrem Jahresbericht. Das entsprach einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahr um 29 Prozent. Die meisten Verdachtsanzeigen in Deutschland kommen mit über 76 000 aus dem Finanzsektor, hauptsächlich von den Banken.

Die Verpflichteten aus dem für Geldwäsche sehr empfänglichen Nicht-Finanzsektor gaben nur 597 Meldungen ab: Immobilienmakler trugen dazu 31 Fälle bei, von den Notaren in Deutschland kamen ganze acht Verdachtsanzeigen. Diese Zahlen geben einen Eindruck, wie es in Deutschland um die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung steht.

Fachleute weisen seit Jahren darauf hin, dass Kriminelle Geld waschen, indem sie Immobilien, Schmuck, Autos oder andere Waren mit Schwarzgeld kaufen, um diese dann weiterzuveräußern. Die Bundesländer sind für die Überwachung des Nicht-Finanzsektors zuständig. Doch in jedem Bundesland gelten andere Vorschriften und Zuständigkeiten, außerdem sind die zuständigen Stellen häufig unterbesetzt und mit der Aufgabe überfordert.

"Die Geldwäscheaufsicht über Notare und Makler ist völlig unzureichend", sagte Fabio De Masi, Bundestagsabgeordneter der Linken. "Wir brauchen ein Register der wahren Eigentümer von Immobilien." Die Behörde braucht auch mehr Leute. Die 475 bewilligten Planstellen seien, so bestätigte die Behörde dem NDR, zu mehr als 180 mit Aushilfen besetzt, weitere 51 seien vakant. Darüber hinaus müssten Zollfahnder aus anderen Abteilungen aushelfen.

Experten fordern eine zentrale EU-Behörde, aber viele Mitgliedstaaten sind dagegen

Insgesamt schiebt die FIU aktuell 36 000 unbearbeitete oder nicht abgeschlossene Fälle vor sich her, so die Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Linken. "Die FIU bleibt ein Krisenherd der Geldwäschebekämpfung. Der Berg unbearbeiteter Meldungen erreicht nach zwei Jahren einen Höchststand", so De Masi. "Die FIU ist Sinnbild für das Chaos bei der Geldwäschebekämpfung in Deutschland geworden", sagte Lisa Paus, Bundestagsabgeordnete von Bündnis90/Die Grünen. Das liege nicht an der engagierten Arbeit der Zöllner und Zöllnerin, sondern am Zuständigkeitsgerangel zwischen den beteiligten Ministerien.

Deutschland gilt als bevorzugtes Zielland von Geldwäschern. "Für internationale Verbrechersyndikate wie die Mafia ist Deutschland für Zwecke der Geldwäsche eines der gefragtesten Länder", beklagte Roberto Scarpinato, leitender Oberstaatsanwalt im Kampf gegen die Mafia, schon 2012. In Deutschland, so Schätzungen, werden jährlich 100 Milliarden Euro gewaschen. Die Beweisführung ist schwer. Kriminelle überweisen das Geld zig Mal über Ländergrenzen, so dass sich die Spur häufig verliert. Experten fordern daher eine zentrale EU-Behörde für den Kampf gegen Geldwäsche - doch die meisten Mitgliedstaaten sind dagegen.

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SZ vom 10.07.2019
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