Süddeutsche Zeitung

Geldanlage:"Kaufen Sie nichts, was Sie nicht kennen"

Lesezeit: 4 min

Von Bastian Brinkmann, München

Volker Ullrich steht am Pult im Bundestag. Es geht in seiner Rede um komplizierte Finanzprodukte und um die Frage, wie der Staat diese regulieren sollte. Ullrich zitiert den bekannten Investor Warren Buffett: "Kaufen Sie nichts, was Sie nicht kennen!" Dieser Ratschlag kommt zu spät für manche Anleger, die Finanzprodukte der Firma Opalenburg gekauft haben. Verbraucherschützer sagen: Sie hätten unterm Strich kaum Chancen, mit Gewinn aus der Sache rauszukommen. Vertrieben wurden die Produkte außerdem auch mit offenbar dubiosen Methoden. Und im Aufsichtsrat der Vermögensverwaltung saß lange Jahre ausgerechnet der Mann, der anschließend für die CSU in den Bundestag einzog: Volker Ullrich. Er sitzt nun im Ausschuss für Verbraucherrecht, der genau solche Firmen regulieren soll. Diese Verbindung hat nun das ZDF aufgedeckt.

Es geht in dieser Geschichte um das, was Fachleute den grauen Kapitalmarkt nennen. Hier werden nicht brave Sparbücher verkauft, sondern Finanzprodukte, die nur mit einem Beipackzettel verkauft werden dürfen. Die Chancen auf Rendite sind größer, das ist zumindest das Versprechen. Sicher sind nur die Risiken.

Bei Opalenburg ist der Beipackzettel 69 DIN-A4-Seiten lang. Der Fonds heißt "Safe Invest 2. KG" und verspricht, das Geld der Anleger in lukrative Immobilien zu stecken. Der Prospekt schwärmt von "hochrentablen Investitionsmöglichkeiten" und zeigt auf dem Cover die Stadt München. Der Immobilienmarkt der Stadt ist bekannt für seine verrückten Preise. Wer Geld in den Fonds gesteckt hat und nun in den Geschäftsbericht schaut, könnte aber enttäuscht sein. Zum Stand von 2015 war nur ein kleiner Teil des Geldes in München investiert, nicht einmal 20 Prozent. Den höchsten Verkehrswert im Portfolio haben Immobilien in Essen in Nordrhein-Westfalen. Dort sind die Mieten viel niedriger als in München. "Das geht in den Bereich der Irreführung", sagt Wolf Brandes von der Verbraucherzentrale Hessen.

Opalenburg trieb es bunt am grauen Kapitalmarkt. Wer den Prospekt des Fonds genau liest, dem fallen viele Dinge auf. 23 Prozent des eingezahlten Eigenkapitals des Fonds verschwinden direkt für Provisionen und Verkaufsaufschlag. "Das sind irre hohe Kosten, vor allem hohe Einmalkosten", sagt Verbraucherschützer Brandes. "Das ist ein Hochrisiko-Produkt. Es ist schon fast auffällig, wie viele Risiken im Prospekt genannt werden."

Vertrieben wurden die Opalenburg-Produkte auch über einen Strukturvertrieb - teilweise offenbar mit einer Masche, vor der Verbraucherschützer schon lange warnen. Reingefallen ist nach eigenen Angaben eine Frau aus Süddeutschland. Sie berichtet, sie hätte ein Jobangebot von einem Opalenburg-Vertriebspartner erhalten. Bewerbungsgespräche können stressig sein, aber die Stimmung sei gut gewesen, so erinnert sie sich Jahre später. "Die haben mir Honig ums Maul geschmiert", sagt sie. Doch plötzlich sei es um die privaten Finanzen der angeblichen Bewerberin gegangen - und um die Finanzprodukte der Firma Opalenburg. Am Ende unterschreibt sie, 100 Euro im Monat in einen Fonds einzuzahlen. Viel Geld für eine Angestellte. Und das 25 Jahre lang. Dazu kommen noch ein paar Tausend Euro als Einmalzahlung und ein Ausgabeaufschlag von sechs Prozent. Warum sie damals unterschrieben hat, kann sich die Frau heute kaum erklären. "Fragen Sie mich nicht, wie die das gemacht haben", sagt sie. "Man fühlt sich so was von über den Tisch gezogen." Sie hat sich einen Anwalt genommen und hofft, Geld wiederzubekommen.

Opalenburg hat eine Anfrage der SZ aus der vorigen Woche größtenteils nicht beantwortet. Das sei zeitlich nicht möglich gewesen. Die Firma verwies auf eine Antwort an das ZDF. "Es bestand zu keinem Zeitpunkt die Absicht, unter dem Vorwand eines Bewerbungsgespräches einen Anleger zu werben", steht dort. Ob Opalenburg solche Methoden ausschließen konnte, hatten die Reporter gefragt. Um das zu beantworten, habe Opalenburg erwogen, alle Vermittler zu kontaktieren. Doch das sei zeitlich nicht möglich gewesen. Das ZDF hatte am 7. März abends angefragt. Verbraucherschützer sehen Verkäufe in Bewerbungsgesprächen kritisch, weil eine Abhängigkeitssituation ausgenutzt werde. Auch sei es schwierig, in so einer stressigen Situation den Prospekt in Gänze zu lesen und zu verstehen.

Außerdem zeigt das Beispiel der Anlegerin: Wer einmal unterschrieben hat, muss mitunter viele Jahre einzahlen. "Eine Ratenzahlung macht Probleme, wenn der Fonds in Schwierigkeiten gerät. Dann muss trotzdem weitergezahlt werden", erklärt Verbraucherschützer Brandes. "Das wirkt wirtschaftlich betrachtet fast wie eine Nachschusspflicht. Das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen mit einer expliziten Nachschusspflicht wurde vom Gesetzgeber extra untersagt."

Der Bundestagsabgeordnete verteidigt die Arbeit der Firma Opalenburg

In der Antwort an das ZDF hat Opalenburg alle Vorwürfe von Anlegern zurückgewiesen. Das Werbefoto von München und die Häuser in Essen seien kein Problem. "Weshalb Investments in Essen dazu führen sollten, dass Anleger getäuscht worden sein sollen, erschließt sich dem Fondsmanagement nicht", teilte die Firma mit. Man gehe weiter davon aus, dass die steigenden Immobilienpreise dazu führten, dass der Fonds erfolgreich sei. Gewinne träten zwar bislang nicht in der prognostizierten Höhe ein. Das liege aber an der "allgemeinen Finanzkrise", an höheren Kosten durch schärfere Gesetze und einer Steuerrückstellung. Außerdem wehrten sich manche Anleger, weiter einzuzahlen. Daher sei der "Investitionsstand hinter den Planungen zurückgeblieben". Man gehe aber davon aus, vor Gericht zu gewinnen und das Geld der "säumigen Anleger" zu bekommen.

Der Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich zieht ein positives Fazit seiner Zeit im Aufsichtsrat von Opalenburg. "Die in dieser Zeit gewonnen Erfahrungen helfen mir bei meiner heutigen politischen Arbeit im Bereich des Verbraucherschutzes und der Regulierung des grauen Kapitalmarkts", sagt er. Viel Geld verdiente Ullrich mit dem Posten nicht. Er bekam zwischen 150 und 250 Euro monatlich. Die Arbeit der Firma verteidigt er. Von den Vorwürfen mit der Bewerbungsgespräch-Masche habe er erst durch Presseanfragen erfahren. "Die Anlagestrategie ist offen und transparent kommuniziert worden", betont Ullrich. "Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Anleger langfristig eine Rendite erhalten werden. Immobilienprojekte sind stets langfristig zu betrachten."

Verbraucherschützer kommen zu einem anderen Fazit. "Es ist unwahrscheinlich, dass der Fonds die versprochenen Erträge erwirtschaftet", sagt Brandes*. "Es bleibt nur die Frage, wie schlecht es für die Anleger ausgeht."

*Anmerkung der Redaktion: Wir haben das Zitat nach Erscheinen des Artikels durch das Wort "versprochenen" präzisiert.

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Quelle:
SZ vom 05.04.2017
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