Süddeutsche Zeitung

G-20: Kritik an Deutschlands Exporten:Musterschüler mit kleinen Fehlern

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Deutschland muss sich vor den G-20-Staaten für seine hohen Handelsüberschüsse rechtfertigen. Kritiker sehen darin eine Ursache für globale Ungleichgewichte.

Moritz Koch

Timothy Geithner nannte keinen Namen. Doch es ist kein Geheimnis, dass die Kritik des amerikanischen Finanzministers vor allem den Chinesen galt. "Einige wenige Schwellenländer kontrollieren ihre Währungen strikt, setzen auf weitreichende Kapitalkontrollen und häufen weit mehr Reserven als notwendig an", sagte er am Samstag in Washington, wo er sich mit seinen Ministerkollegen zur Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Beratungen im Kreis der wichtigsten Wirtschaftsnationen (G 20) getroffen hatte.

Die kaum verhohlene China-Rüge wird vor allem Wolfgang Schäuble gefreut haben. Allzu oft hatte sich der Bundesfinanzminister in der Vergangenheit Kritik am deutschen Wirtschaftsgebahren anhören müssen. Doch Schäuble ist es gelungen, sein Land ein wenig aus der Schusslinie zu manövrieren.

Auch in den Schritten zur Bekämpfung der globalen Ungleichgewichte, die die G-20 am Wochenende vereinbarten, um künftigen Krisen vorzubeugen, spiegeln sich die Verhandlungserfolge der Deutschen. Zwar haben die G-20 beschlossen, dass die mögliche Mitverantwortung Deutschlands für Schieflagen in der Weltwirtschaft untersucht werden soll.

China drückt den Wert seiner Währung

Doch überprüft werden auch sechs weitere Staaten mit besonders starken Handelsüberschüssen oder -defiziten: China, Frankreich, Großbritannien, Japan, Indien und die USA. Außerdem soll bei der Bewertung berücksichtigt werden, wie die Überschüsse oder Defizite zustande kommen. Dies ist für China wesentlich unangenehmer als für Deutschland. Denn China drückt den Wert seiner Währung, um seine Produkte auf dem Weltmarkt zu verbilligen. Die deutschen Exporterfolge gehen dagegen vor allem auf die Wettbewerbskraft der heimischen Industrie zurück.

Dem G-20-Gipfel im Herbst in Cannes kann Schäuble also gelassen entgegensehen. Dort soll ein Aktionsplan mit "korrigierenden und vorbeugenden Maßnahmen" verabschiedet werden. Hintergrund der Verhandlungen ist die Sorge, dass Handelsungleichgewichte eine Quelle globaler Instabilität sind. Exportnationen sind zu stark von der Konjunkturentwicklung ihrer Handelspartner abhängig, während Importnationen Schuldenberge anhäufen, die sich schnell zu einer Gefahr für das globale Finanzsystem entwickeln können - wie sich sowohl in der europäischen Schuldenkrise im vergangenen Jahr als auch beim Infarkt des amerikanischen Bankensektors von 2008 gezeigt hat.

Bereits im Februar hatten sich die G20 darauf verständigt, Faktoren wie die Handelsbilanz, das Staatsdefizit und die Verschuldung der Privathaushalte heranzuziehen, um die Gefahr zu bewerten, die von einem bestimmten Land für die Weltwirtschaft ausgeht. In Washington einigten sich die Finanzminister nun für jeden dieser Faktoren auf Referenzwerte, die den Risikograd messen sollen.

Deutschland als Musterland

Neben den Ungleichgewichten beschäftigten sich die G-20-Finanzminister mit der Neuordnung des globalen Währungssystems. Schäuble sagte, die Reformbemühungen kämen voran. Einigkeit bestehe unter anderem darin, die Entwicklung regionaler Anleihemärkte voranzutreiben, was die Abhängigkeit der Schwellenländer von Kapitalströmen aus dem Ausland verringern könnte.

Mit Freude nahm Schäuble die Anerkennung für die deutsche Konsolidierungspolitik zur Kenntnis. Die Bundesrepublik werde als Musterland gesehen, sagte er. Bundesbankchef Axel Weber glaubt sogar, dass Deutschland die Neuverschuldung in diesem Jahr auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken kann, nach 3,3 Prozent in 2010. Weiteren Handlungsbedarf sieht Schäuble bei der Finanzmarktregulierung. So fehle ein Abwicklungsmechanismus für internationale Großbanken. Außerdem müssten Hedgefonds und andere Finanzfirmen, die sich im Schatten des Bankensystems ausbreiteten, besser kontrolliert werden.

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Quelle:
SZ vom 18.04.2011
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